kann ich Ihnen versichern, dass wir für den Bau der Krypta unsere Gründe haben. Und es geht nicht nur darum, viel Geld zu verdienen – obwohl es für unsere Aktionäre sehr gut sein wird. Haben Sie gedacht, wir wären bloß ein Haufen Nerds, die da hineingeschliddert sind und jetzt bis über beide Ohren drinstecken? Das sind wir nicht.
PS: Was meinen Sie damit, dass Sie »mit neuen Kryptosystemen herumspielen«? Nennen Sie mir ein Beispiel.
Randall Lawrence Waterhouse
Aktuelle Meatspace-Koordinaten, frisch aus der GPS-Empfängerkarte in meinem Laptop: 8 Grad, 52,33 Minuten nördlicher Breite, 117 Grad, 42,75 Minuten östlicher Länge. Nächster geographischer Orientierungspunkt: Palawan, Philippinen.
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Randy,
danke für Ihre seltsam defensive Mail. Sehr erfreut, dass Sie einen guten Grund haben. Habe nichts Anderes erwartet. Natürlich sollen Sie sich nicht verpflichtet fühlen, ihn mir mitzuteilen.
Die Tatsache, dass ich Freunde in der Welt des elektronischen Geheimdienstwesens habe, ist nicht der große Zufall, den Sie darin sehen wollen.
Wodurch sind Sie zu einem der Gründer der Krypta geworden?
Dadurch, dass Sie gut in Wissenschaft und Mathematik sind.
Wodurch sind Sie gut in Wissenschaft und Mathematik geworden?
Dadurch, dass Sie auf den Schultern derjenigen standen, die vor Ihnen da waren. Wer waren diese Leute?
Wir haben sie gemeinhin Naturphilosophen genannt.
Entsprechend verdanken auch meine Freunde im Überwachungsgeschäft ihre Fähigkeiten der praktischen Anwendung der Philosophie. Sie sind so intelligent, dass sie das verstehen und denen Ehre zuteil werden lassen, denen sie gebührt.
PS: Sie haben vergessen, die Deckadresse »
[email protected]« zu verwenden. Ich nehme an, das war Absicht?
PPS: Sie sagen, Sie hätten gerne ein Beispiel für ein neues Kryptosystem, an dem ich arbeite. Das hört sich an wie ein Test. Sie und ich, Randy, wir wissen beide, dass die Geschichte der Kryptographie übersät ist mit den Trümmern von Kryptosystemen, die von eingebildeten Dilettanten erfunden und bald darauf von cleveren Code-Knackern zerstört wurden. Vermutlich nehmen Sie an, ich wüsste das nicht – ich sei nur ein eingebildeter Dilettant. Gewitzt wie Sie sind, fordern Sie mich auf, den Kopf aus dem Fenster zu strecken, damit Sie und Cantrell und seine gleich gesinnten Freunde ihn abhacken können. Sie stellen mich auf die Probe – versuchen, mein Niveau herauszufinden. Also gut. In ein paar Tagen schicke ich Ihnen eine weitere Nachricht. Ich hätte sowieso gerne, dass die Heimlichen Bewunderer mein System mal ausprobieren.
Im Südchinesischen Meer steht America Shaftoe trotz der schweren Brecher mit gespreizten Beinen und der Sonne entgegengestrecktem Körper über der Ruderbank eines schmal gebauten Doppel-Auslegerboots, als wäre sie gyroskopisch stabilisiert. Sie trägt eine ärmellose Taucherweste, die kräftige, tief gebräunte Schultern offenbart, und ihre walnussbraune Haut, auf der Wasserperlen wie Juwelen funkeln, ist mit einer Reihe schwarzer Tätowierungen versehen. Aus einem Schulterholster ragt der Griff eines großen Messers. Die Schneide ist die eines normalen Tauchermessers, aber der Griff ist der eines Kris, einer reich geschmückten traditionellen Waffe auf Palawan. Touristen können sich im Dutyfreeshop am NAIA einen Kris kaufen, aber dieser hier scheint weniger prunkvoll und dafür solider zu sein als die im Touristenladen, und außerdem vom Gebrauch abgenutzt. Um den Hals trägt sie eine goldene Kette, an der eine knotige schwarze Perle baumelt. Einen winzig kleinen Juweliersschraubenzieher zwischen den Zähnen, ist sie eben aus dem Wasser aufgetaucht. Ihr Mund ist zum Atmen geöffnet und gibt den Blick auf schiefe, weiße Zähne ohne Füllungen frei. Für diesen kurzen Augenblick ist sie ganz in ihrem Element, in Anspruch genommen von dem, was sie gerade tut, und völlig unbefangen. In dem Moment glaubt Randy, sie zu verstehen: warum sie die meiste Zeit hier verbringt, warum sie nicht aufs College gegangen ist, warum sie die Familie ihrer Mutter verlassen hat, die sie in Chicago liebevoll großgezogen hatte, um Geschäftspartnerin ihres Vaters zu werden, dieses eigensinnigen Veteranen, der der Familie den Rücken gekehrt hatte, als America neun Jahre alt war.
Dann wendet sie sich der näher kommenden Barkasse zu und erkennt darauf Randy, der sie anstarrt. Sie verdreht die Augen, und wieder