Cryptonomicon
watschelt wie eine Ente unter dem niedrigen Sonnendach hervor. Randy folgt ihm, denn er möchte das ROV selbst sehen.
Da liegt es längsseits neben dem Rumpf des Auslegerboots: ein kurzer gelber Torpedo mit einer gläsernen Rundung als Bug, der von einem über das Dollbord gebeugten philippinischen Besatzungsmitglied mit beiden Händen festgehalten wird. An Bug und Heck sind jeweils zwei verkümmerte Flügel angebracht, von denen jeder einen Mini-Propeller in einer Haube trägt. Randy muss unwillkürlich an ein Luftschiff mit außen liegenden Motorgondeln denken.
Doug Shaftoe bemerkt Randys Interesse und hockt sich neben das Unterwasserfahrzeug, um dessen besondere Merkmale zu erläutern. »Es hat einen konstanten Auftrieb und deshalb steckt es, wenn es so neben unserem Boot liegt, in diesem Schaummantel, den ich jetzt abnehmen werde.« Er beginnt, ein paar Bungeeseile mit Schnellverschluss loszumachen, woraufhin Formteile aus Hartschaum sich vom Rahmen des Unterwasserfahrzeugs abschälen. Während das ROV tiefer ins Wasser sinkt, zieht es fast den Helfer über den Bootsrand, und der lässt los, hält aber die Arme ausgestreckt, um zu verhindern, dass es bei jeder Woge ans Boot stößt. »Sie werden bemerken, dass es kein Versorgungskabel gibt«, sagt Doug. »Normalerweise ist das für ein ROV obligatorisch. Das Versorgungskabel braucht man aus drei Gründen.«
Randy grinst, denn er weiß, dass Doug Shaftoe ihm jetzt die drei Gründe aufzählen wird. Bis jetzt hatte er noch nie so richtig mit Leuten vom Militär zu tun, stellt aber fest, dass er erstaunlich gut mit ihnen klarkommt. Was er an ihnen besonders mag, ist ihr zwanghaftes Bedürfnis, ständig allen um sie herum etwas beizubringen. Randy muss nichts über das ROV wissen, und trotzdem wird Doug Shaftoe ihm gleich einen Schnellkurs geben. Randy vermutet, dass es im Krieg sehr nützlich ist, wenn praktische Kenntnisse sich verbreiten.
»Erstens«, sagt Douglas MacArthur Shaftoe, »um das ROV mit Strom zu versorgen. Dieses ROV hat jedoch seine eigene Stromquelle – einen aus der Torpedo-Technologie entlehnten Sauerstoff/Erdgas-Taumelscheibenmotor, ein Teil unserer Friedensdividende «, (das ist noch etwas, was Randy an Militärs gefällt – ihr ausgesprochen trockener Humor) »der genug Strom erzeugt, um sämtliche Strahlruder anzutreiben. Zweitens, zur Kommunikation und Steuerung. Dieses Gerät benutzt jedoch blaugrüne Laser, um mit dem von Amy bedienten Steuerpult zu kommunizieren. Drittens, zur Bergung bei einem totalen Systemausfall. Sollte das bei diesem Gerät passieren, ist es angeblich so schlau, einen Ballon aufzublasen und an die Wasseroberfläche zu steigen, wo es ein Stroboskoplicht einschaltet, sodass wir es bergen können.«
»Mannomann«, sagt Randy, »ist so ein Ding nicht unglaublich teuer?«
»Es ist unglaublich teuer«, antwortet Douglas MacArthur Shaftoe, »aber der Typ, der die Herstellerfirma betreibt, ist ein alter Kumpel von mir – wir waren zusammen auf der Marineakademie; er leiht es mir manchmal, wenn ich dringenden Bedarf habe.«
»Weiß Ihr Freund, worin in diesem Fall der dringende Bedarf besteht?«
»Er weiß nichts Genaueres«, entgegnet Doug Shaftoe in leicht beleidigtem Ton, »aber ich nehme an, er ist auch nicht dumm.«
»Klar!«, ruft Amy Shaftoe und klingt dabei ziemlich ungeduldig.
Ihr Vater schaut sich der Reihe nach die Strahlruder genau an. »Klar«, antwortet er. Einen Augenblick später fängt in dem ROV etwas an zu trommeln, aus einer Öffnung an seinem Heck schießt ein sprudelnder Strom und dann beginnen die Strahlruder sich rasch zu drehen. Sie rotieren an den Enden ihrer kurzen Flügel, bis sie, Fontänen in die Luft spritzend, nach unten zeigen, und das ROV sinkt rasch. Die Fontänen werden kleiner und sind schließlich nur noch leichte Kräuselbewegungen im Meer. Durch die unruhige Wasseroberfläche betrachtet, ist das ROV ein gelber Fleck. Er wird kleiner, als der Bug des Fahrzeugs sich nach unten neigt, und verschwindet sehr schnell, als die Strahlruder es senkrecht abtauchen lassen. »Irgendwie bleibt mir immer die Luft weg, wenn ich etwas so Teures ins völlig Ungewisse fahren sehe«, sagt Doug Shaftoe nachdenklich.
Von dem Wasser rund um das Boot geht jetzt ein gruseliges, mattes Licht aus, wie die Strahlung in einem Low-Budget-Horrorfilm. »Donnerwetter! Der Laser?«, fragt Randy.
»In einer kleinen Kuppel am Boden des Gehäuses angebracht«, antwortet Doug. »Dringt mühelos selbst durch
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