Cryptonomicon
trübes Wasser.«
»Was für eine Bandbreite können Sie darauf übertragen?«
»Amy sieht jetzt auf ihrem kleinen Bildschirm ein passables Schwarzweißvideo, wenn es das ist, was Sie wissen wollen. Es ist alles digitalisiert, alles zu Datenpaketen zusammengefügt. Wenn also manche Daten nicht durchkommen, wird das Bild ein bisschen unruhig, aber die einzelnen Elemente sehen wir immer noch.«
»Klasse.«
»Ja, das ist klasse«, stimmt Doug Shaftoe zu. »Gehen wir fernsehen.«
Sie hocken sich unter das Sonnensegel. Doug schaltet einen kleinen tragbaren Sonyfernseher ein, ein robustes, wasserdichtes Gerät in einem gelben Plastikgehäuse, und steckt das Eingabekabel in eine freie Ausgabebuchse an der Rückseite von Amys Ausrüstung. Der Fernseher geht an und sie sehen jetzt einen Teil dessen, was Amy sieht. Sie genießen nicht den Vorteil der schwarzen Haube, die Amy benutzt, und so verwischt der grelle Sonnenschein alles bis auf eine gerade weiße Linie, die aus der dunklen Bildmitte auftaucht und sich zum Rand hin ausbreitet. Sie bewegt sich.
»Ich folge der Bojenleine nach unten«, erklärt sie. »Ziemlich öde.«
Randys Taschenrechnerarmbanduhr piept zwei Mal. Er schaut auf die Uhr; es ist drei Uhr nachmittags.
»Randy?«, sagt Amy mit samtweicher Stimme.
»Ja?«
»Könnten Sie mir auf diesem Ding die Wurzel aus dreitausendachthundertdreiundzwanzig ausrechnen?«
»Wofür brauchen Sie die?« »Tun Sie’s einfach.«
Randy hält sein Handgelenk hoch, sodass er die Digitalanzeige seiner Uhr sehen kann, nimmt einen Bleistift aus der Tasche und fängt an, mit dem Radiergummiende die kleinen Tasten zu drücken. Er hört ein metallisches, schneidendes Geräusch, achtet aber nicht weiter darauf.
Etwas Kühles, Glattes gleitet an der Unterseite seines Handgelenks entlang. »Halten Sie still«, sagt Amy. Sie beißt sich auf die Lippe und zieht durch. Die Uhr fällt ab und landet mit sauber durchschnittenem Vinylarmband in ihrer linken Hand. In der Rechten hält sie den Kris, dessen Schneide immer noch mit ein paar Haaren von Randys Arm dekoriert ist. »Aha. Einundsechzig Komma acht drei null vier. Ich hätte höher geschätzt.« Sie wirft die Uhr über ihre Schulter ins Südchinesische Meer. »In der Beziehung sind Wurzeln ganz schön knifflig.«
»Amy, du verlierst das Seil!«, ruft ihr Vater ungeduldig, der sich ganz auf den Fernseher konzentriert.
Amy steckt den Kris wieder in sein Futteral, lächelt Randy zuckersüß an und läßt ihr Gesicht wieder in der schwarzen Haube verschwinden. Randy ist für eine Weile sprachlos.
Die Frage, ob sie eine Lesbe ist oder nicht, hört langsam auf, eine rein akademische Frage zu sein. Vor seinem inneren Auge lässt er rasch alle Lesben, die er je kennen gelernt hat, Revue passieren. Normalerweise sind sie Städterinnen von mittlerem geistigen Niveau mit geregelter Arbeitszeit und vernünftigem Haarschnitt. Mit anderen Worten, sie sind genauso wie die meisten anderen Leute, die Randy kennt. Amy ist zu offenkundig exotisch, sie entspricht zu sehr der Vorstellung, die ein geiler Filmregisseur von einer Lesbe hat. Es gibt also vielleicht noch Hoffnung.
»Wenn Sie meine Tochter weiter so anstarren«, sagt Doug Shaftoe, »sollten Sie anfangen, Ihre Tanzstundenkenntnisse aufzupolieren.«
»Starrt er mich an? Ich weiß das nie, wenn mein Gesicht in diesem Ding steckt«, sagt Amy.
»Er war in seine Armbanduhr verliebt. Jetzt hat er kein Objekt mehr für seine Gefühle«, sagt Doug. »Sei also auf der Hut!«
Randy merkt, wenn jemand versucht, ihn aus der Fassung zu bringen. »Was hat Sie an meiner Uhr so gestört? Der Wecker?«
»Das ganze Ding war ziemlich nervtötend«, sagt Amy, »aber der Wecker hat mich wahnsinnig gemacht.«
»Sie hätten etwas sagen sollen. Als echter Technikfreak weiß ich nämlich, wie man so was ausstellt.«
»Warum haben Sie’s dann nicht gemacht?«
»Ich wollte die Zeit nicht aus den Augen verlieren.«
»Warum? Haben Sie einen Kuchen im Backofen?«
»Die Due-Diligence-Leute des Dentisten werden hinter mir her sein.«
Doug ändert seine Position und verzieht neugierig das Gesicht. »Das haben Sie schon mal gesagt. Was ist Due Diligence?«
»Das ist so. Alfred hat ein bisschen Geld, das er investieren möchte.«
»Wer ist Alfred?«
»Eine hypothetische Person, deren Name mit A anfängt.«
»Verstehe ich nicht.«
»Wenn Sie in der Krypto-Welt ein kryptographisches Protokoll erklären, benutzen sie hypothetische Menschen. Alice, Bob,
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