Cryptonomicon
muss.«
»Bingo. Plötzlich sind vierzehn Fünfzehntel des Schiffs voll Wasser, und das andere Fünfzehntel ist eine Drucklufttasche, in der ein Überleben für kurze Zeit möglich ist. Der größte Teil der Mannschaft war schon tot, als das Boot rasch sank und hart auf dem Boden aufschlug, wobei sein Rumpf zerbarst und der Bug so aufgerichtet, wie Sie ihn hier sehen, stehen blieb. Wenn es in der Luftblase noch Überlebende gab, sind sie einen langen, langsamen Tod gestorben. Gott sei ihrer Seele gnädig.«
Unter anderen Umständen hätte dieser Verweis auf die Religion ihn verlegen gemacht, aber hier scheint es das einzig Adäquate zu sein, was man dazu sagen kann. Über gläubige Menschen kann man denken, was man will, aber in solchen Situationen haben sie immer etwas zu sagen. Was wäre wohl einem Atheisten dazu eingefallen? Ja, die Organismen, die dieses Unterseeboot bewohnt haben, müssen über einen längeren Zeitraum ihre höheren Nervenfunktionen verloren und sich schließlich in einzelne Stücke verrotteten Fleisches verwandelt haben. Na und?
» Arbeite mich jetzt an das heran, was als Turm gilt«, sagt Amy. Dem Buch nach zu urteilen dürfte dieses Unterseeboot nicht den herkömmlichen, hohen, senkrecht auf seinem Rumpf aufsitzenden Turm haben, sondern nur eine flache, stromlinienförmige Wölbung. Amy hat das ROV inzwischen sehr nah an das Unterseeboot heran gelenkt, hält es jetzt an und lässt es gieren. Der Schiffskörper schwenkt ins Bild, ein vielfarbiger Berg mit Korallenbewuchs, den man überhaupt nicht als etwas von Menschenhand Geschaffenes identifizieren kann – bis etwas Dunkles sichtbar wird. Es erweist sich als kreisrundes Loch. Ein Aal windet sich heraus, und während er für einen Moment wütend nach der Kamera schnappt, ist der Bildschirm mit seinen Zähnen und seinem Schlund ausgefüllt. Als er wegschwimmt, können sie einen gewölbten Lukendeckel erkennen, der an seinen Scharnieren neben dem Loch hängt.
»Jemand hat die Luke geöffnet«, sagt Amy.
»Großer Gott«, sagt Douglas MacArthur Shaftoe. »Großer Gott.« Er wendet sich von dem Bildschirm ab, als könnte er das Bild darauf nicht mehr ertragen. Er kriecht unter dem Sonnendach hervor, steht auf und schaut auf das Südchinesische Meer hinaus. »Jemand ist aus diesem Unterseeboot rausgekommen.«
Amy ist immer noch fasziniert und eins mit ihren Joysticks, wie ein Dreizehnjähriger in einer Videothek. Randy reibt sich die sonderbar leere Stelle an seinem Handgelenk und starrt auf den Bildschirm, sieht jetzt aber nichts außer diesem vollkommen runden Loch.
Ungefähr eine Minute später geht er nach draußen zu Doug, der sich feierlich eine Zigarre anzündet. »Das ist ein guter Augenblick zum Rauchen«, murmelt er. »Auch eine?«
»Gerne. Danke.« Randy zieht ein klappbares Multifunktionswerkzeug hervor und schneidet das Ende der Zigarre, einer ziemlich beeindruckend aussehenden kubanischen Kreation, ab. »Warum sagen Sie, das sei ein guter Augenblick zum Rauchen?«
»Damit man es sich einprägt. Es sich merkt.« Doug löst seinen Blick vom Horizont und sieht Randy forschend, ja fast um Verständnis flehend an. »Dies ist einer der wichtigsten Augenblicke in Ihrem Leben. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Vielleicht werden wir reich. Vielleicht werden wir umgebracht. Vielleicht erleben wir einfach nur ein Abenteuer oder lernen etwas. Aber wir sind verändert worden. Wir stehen am Feuer des Heraklit, spüren seine Hitze in unseren Gesichtern.« Wie ein Magier zaubert er ein brennendes Streichholz aus seinen gewölbten Handflächen und hält es Randy vors Gesicht, und Randy zieht, während er in die Flamme starrt, kräftig an der Zigarre.
»Dann also auf diesen Moment!«, sagt Randy.
»Und auf jeden, der aus dem Kahn rausgekommen ist«, entgegnet Doug.
Santa Monica
Das Militär der Vereinigten Staaten ist (nach Ansicht von Waterhouse) in erster Linie ein nicht auszulotendes Netz von Schreibkräften und Aktenfüchsen, zweitens ein fantastischer Apparat, um Zeug von einem Teil der Welt in einen anderen zu schaffen, und zuallerletzt eine Kampforganisation. Die vergangenen zwei Wochen hat ihn die zweite Gruppe in Besitz gehabt. Man hat ihn auf einen Luxusdampfer gesetzt, der zu schnell ist, als dass Unterseeboote ihn erwischen könnten – das ist allerdings ein rein akademischer Gesichtspunkt, da sich Dönitz, wie Waterhouse und ein paar andere Leute wissen, in der Schlacht im Atlantik geschlagen gegeben und seine
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