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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schöpfen.
    Eisen scheppert und ein großes Tor geht auf. Der Pförtner winkt ihn herein. Shaftoe folgt dem Alten durch den schwarzen, gewölbten Tunnel der Wagenauffahrt. Die harten Sohlen seiner glänzenden schwarzen Schuhe finden auf den Pflastersteinen keinen Halt. Hinten im Stall wiehert ein Pferd beim Geruch seines Rasierwassers. Aus einem Radio im Kabuff des Pförtners quillt blechern schläfrige amerikanische Musik, Zeug zum Langsamtanzen vom Armed-Forces-Sender.
    An den Steinwänden des Hofes ranken sich Weinreben empor. Es ist eine ordentliche, stille, abgeschlossene Welt, fast als befände man sich im Haus. Der Pförtner winkt ihn zu einer der Treppen hin, die in den ersten Stock führen. Glory nennt ihn entresuelo und sagt, es sei in Wirklichkeit ein Stockwerk zwischen den Stockwerken, aber für Bobby Shaftoe sieht es wie ein normales, richtiggehendes Stockwerk aus. Er steigt die Stufen hinauf und sieht im Aufblicken Mr. Pascual dastehen, einen winzigen kahlköpfigen Mann mit einer Brille und einem gepflegten kleinen Schnurrbart. Er trägt ein kurzärmeliges Hemd von amerikanischer Machart, Kakihosen und Slipper, und er hält ein Glas San Miguel in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand. »Private Shaftoe! Willkommen«, sagt er.
    Aha. Glory hat also beschlossen, sich diesmal an die Regeln zu halten. Die Pascuals sind alarmiert worden. Nun stehen ein paar Stunden höfliche Konversation zwischen Shaftoe und seinem Mädchen. Aber von solchen Rückschlägen lässt sich ein Marine niemals entmutigen.
    »Verzeihung, Mr. Pascual, aber ich bin mittlerweile Corporal.«
    Mr. Pascual steckt sich die Zigarette in den Mund und schüttelt Corporal Shaftoe die Hand. »Na, so was, Glückwünsche! Ich habe erst letzte Woche Ihren Onkel Jack gesehen. Ich glaube, er hatte keine Ahnung, dass Sie auf dem Rückweg sind.«
    »Das war für jeden eine Überraschung, Sir«, sagt Bobby Shaftoe.
    Mittlerweile befinden sie sich auf einem erhöhten Laufgang, der um den Hof herum geführt ist. Nur Vieh und Dienstboten wohnen auf Bodenhöhe. Mr. Pascual geht den Gang entlang voran bis zu einer Tür, durch die sie in den entresuelo gelangen. Die Wände hier bestehen aus grobem Stein, die Decken aus schlichten, gestrichenen Brettern. Sie kommen durch ein düsteres Büro, in dem Mr. Pascuals Vater und Großvater die Verwalter der familieneigenen Haciendas und Plantagen zu empfangen pflegten. Einen Moment lang macht sich Bobby Shaftoe Hoffnungen. In diesem Geschoss gibt es ein paar Zimmer, die in den alten Zeiten Wohnungen für hochrangige Dienstboten, allein stehende Onkel und ledige Tanten abgaben. Doch nun, da das Hacienda-Geschäft nicht mehr das ist, was es einmal war, vermieten die Pascuals sie an Studentinnen. Vielleicht führt ihn Mr. Pascual ja geradewegs zu Glory.
    Doch diese Hoffnungen gehen den Weg aller törichten, geilen Illusionen, als Shaftoe sich am Fuß einer riesigen Treppe aus poliertem Nara-Holz wiederfindet. Er kann die Pressblechdecke dort oben sehen, Kronleuchter und die eindrucksvollen Aufbauten von Mrs. Pascual, gebändigt von einem mächtigen Mieder, das aussieht wie von Schiffsbauingenieuren erträumt. Die beiden ersteigen die Treppe in die antesala, die laut Glory ausschließlich für unangemeldete Gelegenheitsbesucher dient, jedoch das schickste Zimmer ist, das Bobby Shaftoe jemals gesehen hat. Überall stehen große Vasen und Töpfe herum, angeblich alt und angeblich aus Japan und China. Eine frische Brise streicht hindurch; er schaut zum Fenster hinaus und sieht, hübsch darin gerahmt, die große Kuppel der Kathedrale mit dem keltischen Kreuz darauf, genau wie er sie in Erinnerung hat. Mrs. Pascual streckt die Hand aus und er ergreift sie. »Mrs. Pascual«, sagt er, »danke, dass Sie mich in Ihrem Haus willkommen heißen.«
    »Bitte setzen Sie sich«, sagt sie, »wir wollen alles hören.«
    Shaftoe setzt sich in einen schicken Sessel neben dem Klavier, rückt sich die Hose ein bisschen zurecht, damit sie ihm nicht den erigierten Penis einklemmt, und überprüft seine Rasur. Ein paar Stunden wird sie es noch tun. Am Himmel dröhnt ein Geschwader Flugzeuge. Mrs. Pascual gibt dem Dienstmädchen Anweisungen auf Tagalog. Shaftoe mustert die verkrusteten Aufschürfungen an seinen Knöcheln und fragt sich, ob Mrs. Pascual die leiseste Ahnung hat, was sie zu hören bekäme, wenn er ihr wirklich alles erzählte. Vielleicht würde eine kleine Anekdote über einen Nahkampf mit chinesischen Flusspiraten an den

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