Cryptonomicon
gut wie mein Kuli-Boy.«
Beim Lichtausmachen sehen sich Frick und Konsorten hoffnungslos verknäueltem Bettzeug gegenüber.Während der Nacht folgen weitere, noch rüdere Scherze. Einer wird in seiner Koje überfallen und von nicht näher spezifizierten Angreifern verprügelt. Am nächsten Morgen veranstalten die hohen Tiere einen Überraschungsappell und es gibt einen Anschiss. Die »Asiaten« verbringen den größten Teil des Tages damit, dass sie, zu einem Grüppchen zusammengedrängt, aufeinander aufpassen.
Gegen Mittag kommt es Frick endlich in den Sinn, dass das alles von Shaftoes Geste ausgelöst worden ist und dass Shaftoe die ganze Zeit gewusst hat, was passieren würde. Deshalb stürzt er sich an Deck auf Shaftoe und versucht ihn über die Reling zu werfen.
Shaftoe wird in letzter Sekunde von einem seiner Kumpel gewarnt und lässt Fricks Angriff mit einer kurzen Drehung ins Leere gehen. Frick prallt von der Reling ab, fährt herum und versucht, Shaftoe an den Eiern zu packen. Shaftoe versetzt ihm einen Stoß ins Auge, der ihn prompt wieder hochkommen lässt. Sie weichen voneinander zurück. Die Eröffnungsformalitäten sind erledigt; sie nehmen die Fäuste hoch.
Frick und Shaftoe boxen ein paar Runden. Ein großes Publikum von Marines sammelt sich an. Die meisten rechnen damit, dass Frick den Kampf gewinnt. Frick war schon immer schwachsinnig und nun ist er auch noch durchgedreht, aber in einem Boxring kennt er sich aus und er hat gegenüber Shaftoe einen Gewichtsvorteil von vierzig Pfund.
Shaftoe lässt sich alles gefallen, bis Frick ihn ziemlich kräftig auf den Mund schlägt, sodass seine Lippe zu bluten anfängt.
»Wie weit ist es noch bis Manila?«, brüllt Shaftoe. Die Frage verwirrt und verblüfft Sergeant Frick wie üblich und er richtet sich einen Moment lang auf.
»Zwei Tage«, antwortet einer der Schiffsoffiziere.
»Verflucht noch mal«, sagt Bobby Shaftoe, »wie soll ich denn mit der dicken Lippe meine Kleine küssen?«
»Such dir doch einfach’ne billigere«, antwortet Frick.
Mehr braucht Shaftoe nicht. Er senkt den Kopf und stürmt, wie ein Nip brüllend, auf Frick zu. Ehe Frick schalten kann, hat Shaftoe ihn mit einem jener Chop-Wummi-Griffe gefesselt, die Goto Dengo ihm in Schanghai beigebracht hat. Er arbeitet sich an Fricks Körper entlang zu einem Würgegriff vor und drückt dann zu, bis Sergeant Fricks Lippen die Farbe des Inneren einer Auster annehmen. Dann hängt er Frick verkehrt herum über die Reling, indem er ihn an den Knöcheln festhält, bis Frick sich so weit erholt, dass er »Ich geb auf!« schreien kann.
Hastig wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Shaftoe wird für schuldig befunden, höflich gewesen zu sein (indem er Fricks Stiefel geputzt hat) und das Leben eines Marine (seiner selbst) gegen einen wahnsinnigen Angreifer verteidigt zu haben. Der wahnsinnige Angreifer wandert umgehend in den Bau. Binnen weniger Stunden vermitteln die Laute, die Frick von sich gibt, den Marines einen Eindruck vom Opiumentzug.
Sergeant Frick bekommt somit nichts von ihrer Einfahrt in die Manila Bay zu sehen. Das arme Schwein tut Shaftoe beinahe leid.
Den ganzen Tag liegt die Insel Luzon an Backbord, ein schwarzer, im Dunst kaum sichtbarer Klotz, an dessen unterem Rand gelegentlich Palmen und Strände zu erkennen sind. Sämtliche Marines sind schon einmal hier gewesen und können deshalb die Cordillera Central im Norden und später die Zambales Mountains ausmachen, die schließlich in der Nähe der Subic Bay steil zum Meer abfallen. Die Subic Bay löst eine Salve deftiger Anekdoten aus. Das Schiff legt nicht dort an, sondern fährt weiter nach Süden im Bogen um Bataan herum und wendet sich dann landeinwärts dem Eingang der Manila Bay zu. Das Schiff stinkt nach Schuhwichse,Talkumpuder und Rasierwasser; mag sein, dass die Fourth Marines sich auf Herumhuren und Opiummissbrauch spezialisiert haben, aber sie sind seit jeher als die bestaussehenden Marines im ganzen Corps bekannt.
Sie kommen an Corregidor vorbei. Geformt wie ein Wassertropfen auf einem gewachsten Stiefel, ist die Insel in der Mitte sanft gerundet, fällt jedoch zum Wasser hin steil ab. Sie hat einen langen, knochigen, trockenen Schwanz, der zum Ende hin immer dünner wird. Die Marines wissen, dass die Insel von Tunneln durchlöchert ist und von Furcht erregenden Geschützen starrt, doch auf diese Befestigungen deuten einzig die Gruppen von Betonbaracken hin, die oben in den Hügeln stehen und die Männer
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