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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Fisch-Schrapnelle, die sich neben dem einen oder anderen abgetrennten Menschenarm oder Schädelfragment in den Bäumen verfangen. Die Schweden ignorieren die Menschenteile und bringen nur den Fisch ein, aus dem sie in schwarzen Stahlfässern lutefisk machen.
    Enoch Root hat eine alte Zigarrenkiste auf dem Schoß. Durch die Ritze entlang dem Deckel schimmert goldenes Licht.
    Aber Shaftoe befindet sich nicht mehr in der strohgedeckten Hütte; er befindet sich im Inneren eines kalten, schwarzen Metallphallus, der schon länger unter der Oberfläche des Albtraums sondiert: Bischoffs Unterseeboot. Überall explodieren Wasserbomben und das Boot füllt sich mit Jauche. Etwas trifft ihn seitlich am Kopf: diesmal kein Schinken, sondern ein Menschenbein. Die Wände des Unterseeboots säumen Röhren, die Stimmen weiterleiten: auf Englisch, Deutsch, Arabisch, Japanisch, Chinesisch, doch im Metall eingeschlossen und gedämpft, sodass sie ineinander fließen wie das Geräusch laufenden Wassers. Dann lässt eine in nächster Nähe detonierende Wasserbombe ein Rohr bersten; aus dem gezackten Ende dringt eine deutsche Stimme:
    »Das eben Gesagte kann als stark vergröbernde Darstellung der allgemeinen Organisation des Reiches und besonders des Militärs gelten. Die Zuständigkeit für die Kryptoanalyse und die Kryptographie verteilt sich auf eine Vielzahl kleiner Ämter und Dienste, die den diversen Armen dieser Struktur angegliedert sind. Sie werden ständig umorganisiert und neu geordnet, dennoch kann ich Ihnen vielleicht ein leidlich genaues und detailliertes Bild liefern...«
    Mit Fesseln aus Gold an eine Koje des Unterseeboots gekettet, spürt Shaftoe, wie sich ihm eine seiner kleinen, versteckten Faustfeuerwaffen ins Kreuz drückt, und er fragt sich, ob es ungezogen wäre, sich in den Mund zu schießen. Er schlägt wild nach dem geborstenen Rohr und es gelingt ihm, es in das steigende Abwasser zu drücken; Blasen kommen heraus und von Hacklhebers Worte sind darin gefangen wie Sprechblasen in einem Comicstrip. Als die Blasen die Oberfläche erreichen und zerplatzen, klingt es wie Schreien.
    Root sitzt mit der Zigarrenkiste auf dem Schoß auf der Koje gegenüber. Er hebt die Hand zum V-Zeichen, dann richtet er sie auf Shaftoe und stößt ihm die Finger in die Augen. »Bei Ihrer Unfähigkeit, körperliche Entspannung zu finden, kann ich Ihnen nicht helfen – das ist ein Problem der Körperchemie«, sagt er. »Es wirft interessante theologische Fragen auf. Es erinnert uns daran, dass alle Freuden dieser Welt eine Illusion sind, die unser Körper in unsere Seele projiziert.«
    Mittlerweile sind noch viele andere sprechende Rohre geborsten und aus den meisten dringen Schreie; Root muss sich ganz nahe heranbeugen, um in Bobbys Ohr zu brüllen. Shaftoe nutzt das aus, um nach der Zigarrenkiste zu greifen und sie sich zu schnappen, denn sie enthält das Zeug, das er will: nicht Morphium. Etwas Besseres als Morphium. Morphium verhält sich zu dem Zeug in der Zigarrenkiste wie eine Schanghaier Prostituierte zu Glory.
    Die Kiste springt auf und blendendes Licht kommt heraus. Shaftoe schlägt die Hände vors Gesicht. Die eingesalzenen und konservierten Körperteile, die an der Decke aufgehängt sind, purzeln in seinen Schoß und beginnen sich zu winden, nach anderen Teilen zu greifen, sich zu lebendigen Körpern zusammenzufügen. Mikulski erwacht wieder zum Leben, zielt mit seiner Vickers auf die Decke des Unterseeboots und schießt einen Notausstieg hinein. Statt schwarzem Wasser strömt goldenes Licht herein.
    »Welche Position hatten Sie denn nun bei alledem?«, fragt Root und Shaftoe springt fast vom Stuhl, so sehr verblüfft ihn der Klang einer anderen Stimme als der von Hacklhebers. Angesichts dessen, was beim letzten Mal folgte, als jemand (nämlich Shaftoe) eine Frage stellte, ist das heldenmütig, aber riskant. Angefangen bei Hitler, arbeitet sich von Hacklheber durch die Hierarchie nach unten.
    Shaftoe ist das egal: Er befindet sich auf einem Schlauchboot, zusammen mit verschiedenen geretteten Kameraden von Guadalcanal und Abteilung 2702. Sie rudern über eine stille Bucht, die von gigantischen, flammenden Aufhellern am Himmel erleuchtet wird. Hinter den Aufhellern steht ein Mann, der mit deutschem Akzent spricht: »Meine unmittelbaren Vorgesetzten, Wilhelm Fenner aus St. Petersburg, der seit 1922 die gesamte militärische Kryptoanalyse leitete, und sein Stellvertreter, Professor Novopaschenny.«
    Für Shaftoe hören sich alle

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