Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
draußen ist nichts als Dschungel, der jetzt zwei Arten von Assoziationen in ihm hervorruft. Die eine ist die unheimliche Tarzan/Stanley & Livingstone /»Das Grauen, das Grauen«/»Natives are restless«/Irgendwo-dadraußen-wartet-Charlie-auf-uns-Variante. Die zweite ist die modernere und aufgeklärtere à la Jacques Cousteau vom wimmelnden Lebensraum großartiger, bedrohter Arten und der Lunge des Planeten. Für Randy stimmt keine von beiden mehr so richtig, weshalb er trotz des Zustands winterschlafartiger Erstarrung, in den er verfallen ist, kaum dass sein Hintern das blaue Leder des Sitzes niedergedrückt hat, jedes Mal, wenn ein anderer Passagier bei einem Blick aus dem Fenster das Wort »Dschungel« ausspricht, einen kleinen Stachel der Irritation verspürt. Für ihn ist das jetzt nur noch ein Haufen Bäume, kilometerweit nur Bäume, Hügel rauf, Hügel runter nichts als Bäume. Er kann jetzt ohne weiteres den schockierend offenen und unverblümten Drang von Tropenbewohnern verstehen, mit den größten und breitesten Bulldozern, die sie auftreiben können, durch solches Gelände zu fahren (die einzigen Teile seines Körpers, die sich während der ersten anderthalb Stunden des Fluges bewegen, sind bestimmte Gesichtsmuskeln, die seine Mundwinkel zu einem ironischen Grinsen zurückziehen, wenn er sich vorstellt, was Charlene davon halten würde – es passt einfach zu gut! -: Randy geht auf Geschäftsreise und kommt zurück als jemand, der sich mit Regenwaldabholzern identifiziert). Randy will den Dschungel abholzen, radikal. Thermonukleare Waffen, in entsprechender Höhe gezündet, würden diese Aufgabe im Grunde schneller erledigen. Er muss eine rationale Erklärung für diesen Drang finden. Das wird er tun, sobald er das Problem der globalen Sauerstoff-Verknappung in den Griff bekommt.
    Bis er überhaupt auf den Gedanken kommt, das Bier an die Lippen zu heben, ist es bereits von der Hitze seines Körpers durchdrungen, und seine Hand ist so eisig und steif wie ein ungebackenes Tiefkühlbrötchen. Überhaupt hat sich sein gesamter Körper in eine Art Stoffwechselpause begeben, und auch sein Gehirn läuft nicht gerade auf Hochtouren. Er fühlt sich ungefähr so wie manchmal an dem Tag, bevor ihn eine Ganzkörper-Husten-Schnupfen-Attacke erwischt, eine dieser vernichtenden viralen Tet-Offensiven, die einen alle paar Jahre für ein oder zwei Wochen aus dem Land der Lebenden hinauskatapultieren. Es ist, als wären etwa zwei Drittel seiner Körperreserven an Nährstoffen und Energie für die Herstellung mehrerer Trillionen Viren abgezogen worden. Am Wechselschalter auf dem NAIA hatte Randy hinter einem Chinesen gestanden, der, gerade als er mit seinem Geld weggehen wollte, mit solch titanischer Wucht niesen musste, dass die Druckwelle, die aus seinen entzündeten, flatternden Gesichtsöffnungen rollte, die kugelsichere Glaswand zwischen ihm und den Geldwechselbeamten leicht nach innen wölbte, sodass das Spiegelbild des Chinesen, von Randy, der Eingangshalle des NAIA und der sonnenbeschienenen Kurzparkzone draußen kaum merklich verzerrt wurde. Wie reflektiertes Licht mussten die Viren am Glas abgeprallt sein und Randy eingehüllt haben. Vielleicht ist Randy ja der exklusive Überträger der diesjährigen Version der nach irgendeiner ostasiatischen Stadt benannten Grippe, die jedes Jahr durch die Vereinigten Staaten tourt. Aber vielleicht ist es auch Ebola.
    Eigentlich geht es ihm gut. Abgesehen von der Tatsache, dass seine Mitochondrien streiken oder seine Schilddrüse auszusetzen scheint (Sollte sie vor kurzem von Schwarzmarkt-Organhändlern heimlich entfernt worden sein? In Gedanken macht er sich eine Notiz, dass er im nächsten Spiegel nach neuen Narben suchen will.), verspürt er keinerlei virusbedingte Symptome.
    So etwas tritt auf, wenn der Stress nachlässt. Seit Wochen ist es das erste Mal, dass er sich entspannt. Nicht ein einziges Mal hat er sich mit einem Bier in eine Bar gesetzt, die Füße auf den Schreibtisch gelegt oder sich einfach wie eine verwesende Leiche vor dem Fernseher hinplumpsen lassen. Jetzt sagt ihm sein Körper, dass die Stunde der Vergeltung gekommen ist. Er schläft nicht; er fühlt sich nicht einmal dösig. Er hat sogar ziemlich gut geschlafen. Aber sein Körper verweigert eine und fast noch eine weitere Stunde lang jegliche Bewegung, und sofern sein Gehirn überhaupt arbeitet, vermag es sich nur im Kreis zu drehen.
    Es gibt allerdings etwas, was er tun könnte. Dafür sind Laptops

Weitere Kostenlose Bücher