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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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erfunden worden, damit wichtige Geschäftsleute auf langen Flügen nicht einfach die Zeit vertrödeln. Er kann ihn direkt vor sich auf dem Boden stehen sehen. Er weiß, dass er die Hand danach ausstrecken sollte. Aber das würde den Zauber brechen. Er kommt sich vor, als wäre Wasser auf seiner Haut kondensiert und zu einer Schale gefroren, die bei der kleinsten Bewegung irgendeines Körperteils zerspringen würde. Genau so, fällt ihm auf, muss ein Laptop sich fühlen, wenn er in den Stand-by-Modus übergeht.
    Dann steht da eine Stewardess, hält ihm eine Speisekarte vors Gesicht und sagt etwas, was ihn durchrüttelt wie ein Elektrostab. Er springt fast von seinem Sitz auf, verschüttet ein paar Tropfen Bier, grapscht nach der Speisekarte. Bevor er in sein Halb-Koma zurückfallen kann, setzt er die Bewegung fort und greift nach seinem Laptop. Der Platz neben ihm ist frei, so dass er sein Abendessen dort hinstellen kann, solange er an seinem Computer arbeitet.
    Die Leute um ihn herum schauen CNN – live aus dem CNN Center in Atlanta, nicht irgendeine Aufzeichnung vom Band. Geht man nach der Unmenge pseudotechnischer Daten auf den Karten, die hinten in den Rückenlehnen stecken und von niemand anderem als Randy je gelesen werden, besitzt dieses Flugzeug eine Art Antenne, die, während es den Pazifik überfliegt, den Zugriff auf einen Datenü bertragungssatelliten erlaubt. Zudem ist es ein Zweiwegesystem, sodass man sogar E-Mails verschicken kann. Randy beschäftigt sich eine ganze Weile mit den Bedienungshinweisen, studiert die Gebühren, als wäre ihm nicht völlig egal, was das Ganze kostet, steckt das Ding in den Anus seines Laptops. Er klappt den Laptop auf und liest seine E-Mails. Viel ist nicht los, da bei Epiphyte alle wissen, dass er irgendwo unterwegs ist.
    Es gibt aber drei Nachrichten von Kia, Epiphytes einziger richtiger Angestellten, der Verwaltungsassistentin für das ganze Unternehmen. Kia arbeitet in einem völlig unpersönlichen, nüchternen Büro im Springboard-Capital-Komplex, einem Gebäude in San Mateo, das jungen Unternehmen eine Bleibe bietet. Offenbar gibt es ein landesweit geltendes Gesetz, dass im Entstehen begriffene Hightech-Unternehmen, anders als große, etablierte Firmen, keine dicklichen fünfzigjährigen Bürokräfte beschäftigen dürfen. Sie müssen topologisch optimierte Zwanzigjährige einstellen, deren Namen wie neue Automodelle klingen. Da die meisten Hacker weiß und männlich sind, sind ihre Firmen, was ethnische Vielfalt anlangt, die reinsten Wüsten; folglich konzentriert sich jegliche Vielfalt auf die ein oder zwei Angestellten, die nicht Hacker sind. In dem Teil eines amtlichen Chancengleichheitsformulars, in dem Randy einfach das Kästchen WEISS ankreuzen würde, müsste Kia mehrere Blätter anhängen, auf denen ihr Familienstammbaum über zehn oder zwölf Generationen hinweg zurückverfolgt würde, bis man auf Vorfahren stieße, die ohne jede Mogelei einer bestimmten ethnischen Gruppe zugeordnet werden könnten, und diese ethnischen Gruppen wären dann schrecklich ausgefallen – nicht etwa Schweden, nein, Lappen, keine Chinesen, sondern Hakka, und keine Spanier, sondern Basken. Stattdessen hat sie auf ihrem Bewerbungsbogen für Epiphyte einfach »andere« angekreuzt und TRANSETHNISCH eingetragen. Tatsächlich ist Kia in so gut wie jedem System der Kategorisierung von Menschen trans-, und wo sie nicht trans- ist, da ist sie post-.
    Jedenfalls macht Kia ihre Sache prima (es gehört zum unausgesprochenen Sozialvertrag mit solchen Leuten, dass sie immer hervorragende Arbeit leisten) und hat Randy per E-Mail mitgeteilt, sie habe innerhalb kurzer Zeit vier transpazifische Anrufe von America Shaftoe entgegengenommen, in denen sie nach Randys Verbleib, seinen Plänen, seiner geistigen Verfassung und der Ehrlichkeit seiner Absichten gefragt habe. Kia hat Amy geantwortet, dass Randy auf dem Weg nach Kalifornien ist, und dabei irgendwie durchblicken lassen, falls Amy es nicht selbst herausbekommen hat, dass der Grund für seine Reise KEIN GESCHÄFTLICHER ist. Randy spürt, wie irgendwo über einem neurologischen Alarmknopf eine dünne Glasscheibe zerspringt. Er ist in Schwierigkeiten. Das ist die Rache Gottes dafür, dass er es gewagt hat, ganze neunzig Minuten still dazusitzen und rein gar nichts zu tun. Er benutzt sein Textverarbeitungssystem zum Verfassen einer Nachricht an Amy, in der er ihr erklärt, dass er einigen Papierkram erledigen muss, um die letzten ihn noch

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