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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Aleuten gesprochen wird. Egal, je prägnanter desto besser, stimmt’s?«
    »Unbedingt«, sagt Waterhouse. »Weniger Redundanz – schwieriger, den Code zu knacken.«
    »Das Problem ist nur, es ist zwar nicht direkt eine tote Sprache, aber es liegt gewissermaßen auf einer Bahre und davor steht ein Priester und schlägt das Kreuz. Verstehen Sie?«
    Waterhouse nickt.
    »Deswegen hört es jeder ein bisschen anders. So wie eben – die Leute haben Ihren outer-qwghlmianischen Akzent gehört und angenommen, Sie gäben eine Beleidigung von sich. Ich dagegen habe gewusst, dass Sie sagen wollten, Sie glaubten aufgrund eines Gerüchts, das Sie letzten Dienstag auf dem Fleischmarkt gehört hätten, dass Marys Genesung normal verlaufe und sie in einer Woche wieder auf den Beinen sei.«
    »Ich habe zu sagen versucht, dass sie wunderschön aussieht«, protestiert Waterhouse.
    »Ach so!«, sagt Rod. »Dann hätten Sie ›Gxnn bhldh sqrd m‹ sagen müssen!«
    »Aber das habe ich gesagt!«
    »Nein, Sie haben den Mittelglottal mit dem vorderen Glottal verwechselt«, sagt Rod.
    »Ehrlich«, sagt Waterhouse, »können Sie das an einem knisternden Funkgerät auseinander halten?«
    »Nein«, sagt Rod. »Über Funk halten wir uns an das Wesentliche: ›Los jetzt, ihr Säcke, nehmt euch den Bunker vor, sonst bring ich euch um.‹ Solche Sachen.«
    Nicht lange danach ist die Band mit ihrem letzten Stück fertig und die Party ist zu Ende. »Tja«, sagt Waterhouse, »würden Sie Mary bitte sagen, was ich wirklich sagen wollte?«
    »Ach, das wird bestimmt nicht nötig sein«, sagt Rod zuversichtlich. »Mary ist eine gute Menschenkennerin. Sie weiß bestimmt, was Sie sagen wollten. Qwghlmianer verstehen sich ausgezeichnet auf nonverbale Kommunikation.«
    Waterhouse kann sich eben noch bremsen, Das müsst ihr wohl auch zu sagen, wofür er wahrscheinlich gleich noch was aufs Maul gekriegt hätte. Rod gibt ihm die Hand und geht. Von seinen Schuhen gemartert, humpelt Waterhouse hinaus.

INRI
    Goto Dengo liegt sechs Wochen lang auf einer Pritsche aus geflochtenen Binsen unter dem weißen Kegel eines Moskitonetzes, das sich in den zum Fenster hereinfächelnden Brisen leise regt. Wenn sich ein Taifun ankündigt, klappen die Schwestern Perlmuttläden vor die Fenster, doch meistens bleiben sie Tag und Nacht geöffnet. Draußen hat man eine riesige Treppe in einen grünen Berghang gehauen.Wenn die Sonne scheint, fluoresziert der neue Reis auf diesen Terrassen; grünes Licht lodert in den Raum wie Flammen. Er kann kleine, knorrige Menschen in bunten Kleidern Reis-Sämlinge versetzen und an dem Bewässerungssystem herumbasteln sehen. Die Wand seines Zimmers ist nackt, cremefarbener Gips, überzogen mit sich gabelnden Deltas von Rissen wie die Blutgefäße an der Oberfläche eines Augapfels. Geschmückt wird sie lediglich von einem Kruzifix, das mit wahnsinniger Detailversessenheit aus Napaholz geschnitzt ist. Jesus’ Augen sind glatte Kugeln ohne Pupille oder Iris, wie bei römischen Statuen. Er hängt schief am Kreuz, die Arme ausgestreckt, die Bänder wahrscheinlich längst aus ihren Verankerungen gerissen, die krummen, vom Schaft eines römischen Speers gebrochenen Beine nicht mehr imstande, den Körper zu tragen. Je ein schrundiger, rostiger Eisennagel fixiert die Hände, ein dritter reicht für beide Füße. Nach einer Weile bemerkt Goto Dengo, dass der Bildhauer die drei Nägel zu einem perfekten gleichseitigen Dreieck angeordnet hat. Er und Jesus bringen viele Stunden und Tage damit zu, sich durch den weißen Schleier anzustarren, mit dem das Bett verhängt ist; wenn der Stoff sich in den Bergbrisen regt, scheint Jesus sich zu winden. Oben an dem Kruzifix ist eine offene Schriftrolle angebracht; darauf steht I.N.R.I. Goto Dengo rätselt oft daran herum. Ich Nehme Rasch Irgendwas? Innere Nagel-Risse Irreparabel?
    Der Schleier teilt sich und in der Lücke steht, im grünen, von den Terrassen herabströmenden Licht strahlend, eine vollkommene junge Frau in strengem, schwarzweißem Habit, in den Händen eine Schüssel dampfendes Wasser. Sie schlägt sein Flügelhemd zurück und beginnt ihn zu waschen. Goto Dengo deutet auf das Kruzifix und fragt danach.Vielleicht hat die Frau ein wenig Japanisch gelernt. Falls sie ihn hört, gibt sie es nicht zu erkennen. Sie ist wahrscheinlich taub oder verrückt oder beides; die Christen sind dafür berüchtigt, wie abgöttisch sie Behinderte lieben. Ihr Blick ist auf Goto Dengos Körper gerichtet, den sie sanft,

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