Cryptonomicon
sich darauf versteht – teils aber auch, weil sein Vater ihn dazu erzogen hat, nicht an Dämonen zu glauben.
Er lacht laut. Die anderen Männer auf der Veranda drehen sich zu ihm und sehen ihn an.
Er ist dazu erzogen worden, nicht an Dämonen zu glauben, und nun ist er selbst einer.
Schwarzrock lacht Goto Dengo bei seinem nächsten Besuch laut aus. »Ich versuche nicht, Sie zu bekehren«, sagt er. »Bitte erzählen Sie Ihren Vorgesetzten nichts von Ihrem Verdacht. Man hat uns streng verboten zu missionieren, und es hätte schreckliche Auswirkungen.«
»Sie versuchen nicht, mich mit Worten zu missionieren«, gibt Goto Dengo zu, »sondern indem sie mich einfach hier haben.« Sein Englisch reicht nicht ganz aus.
Schwarzrocks Name ist Pater Ferdinand. Er ist Jesuit oder dergleichen und steckt Goto Dengo mit seinem Englisch mühelos in die Tasche. »Inwiefern stellt es eine Missionierung dar, dass wir Sie lediglich hier haben?« Dann fragt er, bloß um Goto Dengo vollends denWind aus den Segeln zu nehmen, das Gleiche in halbwegs anständigem Japanisch.
»Ich weiß auch nicht. Die Kunstwerke.«
»Wenn Ihnen unsere Kunstwerke nicht gefallen, dann machen Sie die Augen zu und denken Sie an den Kaiser.«
»Ich kann die Augen nicht ständig geschlossen halten.«
Pater Ferdinand lacht abfällig. »Tatsächlich? Die meisten Ihrer Landsleute haben offenbar keinerlei Schwierigkeiten damit, die Augen von der Wiege bis zur Bahre fest geschlossen zu halten.«
»Warum haben Sie keine fröhlichen Kunstwerke? Ist das ein Krankenhaus oder eine Leichenhalle?«
»La Pasyon ist hier wichtig«, sagt Pater Ferdinand.
»La Pasyon?«
»Das Leiden Christi. Es spricht die Menschen auf den Philippinen sehr stark an. Besonders im Augenblick.«
Goto Dengo hat noch eine weitere Beschwerde vorzubringen, die er aber erst äußern kann, nachdem er sich Pater Ferdinands japanisch-englisches Wörterbuch ausgeliehen und eine Zeit lang damit gearbeitet hat.
»Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, sagt Pater Ferdinand. »Sie glauben, dass wir Sie indirekt zum Katholizismus zu bekehren versuchen, wenn wir Sie mit Barmherzigkeit und Würde behandeln.«
»Sie verdrehen mir schon wieder die Worte«, sagt Goto Dengo.
»Sie haben krumme Worte gesprochen und ich habe sie gerade gebogen«, gibt Pater Ferdinand zurück.
»Sie versuchen, mich – zu einem von euch zu machen.«
»Zu einem von uns? Was meinen Sie damit?«
»Zu einem niedrigen Menschen.«
»Warum sollten wir das tun wollen?«
»Weil Sie eine Religion für niedrige Menschen haben. Eine Religion für Verlierer. Wenn Sie mich zu einem niedrigen Menschen machen, werde ich mich dieser Religion anschließen wollen.«
»Und indem wir Sie anständig behandeln, versuchen wir, Sie zu einem niedrigen Menschen zu machen?«
»In Japan würde man einen Kranken nicht so gut behandeln.«
»Das brauchen Sie uns nicht zu erklären«, sagt Pater Ferdinand. »Sie befinden sich mitten in einem Land voller Frauen, die von japanischen Soldaten vergewaltigt worden sind.«
Zeit, das Thema zu wechseln. »Ignoti et quasi occulti – Societas Eruditorum«, sagt Goto Dengo, der die Aufschrift auf einem Medaillon liest, das Pater Ferdinand um den Hals hängen hat. »Noch mehr Latein? Was heißt das?«
»Das ist eine Organisation, der ich angehöre. Eine ökumenische Organisation.«
»Was heißt das?«
»Jeder kann ihr beitreten. Sogar Sie, wenn Sie gesund sind.«
»Ich werde gesund werden«, sagt Goto Dengo. »Kein Mensch wird wissen, dass ich krank war.«
»Außer uns. Ach so, ich verstehe! Sie meinen, kein Japaner wird es wissen. Das stimmt.«
»Aber die anderen hier werden nicht gesund.«
»Das stimmt. Sie haben von allen Patienten hier die beste Prognose.«
»Sie nehmen diese kranken Japaner in Ihren Schoß auf.«
»Ja. Unsere Religion gebietet uns das mehr oder weniger.«
»Es sind jetzt niedrige Menschen. Sie wollen, dass sie sich Ihrer Religion für niedrige Menschen anschließen.«
»Nur insofern, als es für sie gut ist«, sagt Pater Ferdinand. »Schließlich werden sie nicht loslaufen und uns eine neue Kathedrale bauen oder etwas dergleichen.«
Am nächsten Tag wird Goto Dengo für geheilt erklärt. Er fühlt sich keineswegs geheilt, würde aber alles tun, um aus diesem Trott herauszukommen: dass er ein Blickduell nach dem anderen mit dem König der Juden verliert.
Er rechnet damit, dass man ihm einen Seesack aufladen und ihn zum Busbahnhof schicken wird, damit er für sich
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