Cryptonomicon
Fotos von den Waterhouse-Kindern, sodass alle fasziniert sind, bis sie Fotos von sich selbst in verschiedenen Altersstufen gefunden haben. Danach fängt der Fotohaufen an, deprimierend in die Breite zu gehen. Lawrence Pritchard Waterhouse war so etwas wie ein Fotonarr und das müssen seine Kinder jetzt ausbaden.
Randy hat anders gelagerte Motive, und so bleibt er noch lange da und geht die Bilder allein durch. Neunundneunzig von hundert sind Schnappschüsse der Waterhouse-Bälger aus den Fünfzigern. Manche sind auch älter. Er findet ein Foto von Grandpa an einem Ort mit Palmen, in Militäruniform mit einer weißen Offiziersschirmmütze auf dem Kopf. Drei Stunden später stößt er auf ein Bild von einem sehr jungen Grandpa, einem typisch schlaksigen Jugendlichen in Erwachsenenkleidern, der mit zwei anderen Männern, einem grinsenden dunkelhaarigen Burschen, der ihm entfernt bekannt vorkommt, und einem blonden Mann mit Adlernase und randloser Brille vor einem gotischen Bauwerk steht. Alle drei haben Fahrräder; Grandpa hat seins zwischen die gespreizten Beine geklemmt, während die anderen beiden, die das vielleicht nicht so fein finden, ihre am Lenker festhalten. Eine weitere Stunde vergeht und dann findet er Grandpa, wieder mit Palmen im Hintergrund, in einer Kakiuniform.
Am nächsten Morgen setzt er sich neben seine Großmutter, nachdem sie ihr tägliches stundenlanges Aufsteh-Ritual hinter sich gebracht hat. »Großmutter, ich habe diese beiden alten Fotos gefunden.« Er legt sie vor sie auf den Tisch und lässt ihr ein bisschen Zeit, sich in die Situation einzufinden. Grandma wechselt im Gespräch nicht mehr so schnell die Themen und außerdem brauchen diese steifen Alte-Damen-Hornhäute ein Weilchen, um den Fokus zu verlagern.
»Ja, das ist beide Male Lawrence, als er Soldat war.« Grandma hat schon immer ein besonderes Talent gehabt, den Leuten das Offensichtliche auf eine Weise zu sagen, die zwar äußerst höflich ist, den Angesprochenen aber als Blödmann hinstellt, der ihr nur die Zeit stiehlt. Mittlerweile ist sie es sichtlich leid, Fotos zu erläutern, eine ermüdende Aufgabe mit dem eindeutigen Subtext: »Du wirst bald sterben und wir sind neugierig – wer ist die Dame da neben dem Buick?«
»Großmutter«, sagt Randy heiter und versucht, ihr Interesse zu wecken, »auf diesem Foto trägt er eine Navyuniform. Und auf dem hier eine von der Army.«
Grandma Waterhouse zieht die Augenbrauen hoch und schaut ihn mit der gekünstelten Aufmerksamkeit an, die sie an den Tag legen würde, wenn auf einer offiziellen Veranstaltung ein Mann, den sie gerade kennen gelernt hätte, versuchte, ihr Nachhilfeunterricht im Reifenwechseln zu geben.
»Es ist, äh, glaube ich, eher ungewöhnlich«, sagt Randy, »dass ein Mann während ein und desselben Krieges sowohl bei der Army als auch bei der Navy ist. Normalerweise ist er entweder bei der einen oder bei der anderen.«
»Lawrence hatte sowohl eine Army-, als auch eine Navyuniform«, sagt Großmutter im demselben Ton, in dem sie immer sagte, er habe sowohl einen Dünn-, als auch einen Dickdarm, »und er trug immer die, die gerade angemessen war.«
»Ja, natürlich«, sagt Randy.
Der schichtförmige Wind gleitet über den Highway wie ein steifes Laken, dass von einem Bett gerissen wurde, und Randy findet es schwierig, den Acura auf der Fahrbahn zu halten. Der Wind ist nicht stark genug, um das Auto fortzuwehen, aber er verwischt die Straßenränder; alles, was er sehen kann, ist eine weiße, streifige Ebene, die seitlich unter ihm dahingleitet. Sein Auge sagt ihm, er soll hineinfahren, was aber keine gute Idee wäre, denn es würde ihn und Amy geradewegs in die Lavafelder tragen. Er versucht, sich auf einen entfernten Punkt zu konzentrieren: die weiße Raute des Mount Rainier, ein paar Hundert Kilometer westlich.
»Ich weiß nicht mal, wann sie geheiratet haben«, sagt Randy. »Ist das nicht schrecklich?«
»September 1945«, sagt Amy. »Das hab ich aus ihr rausgekitzelt.«
»Wow.«
»Frauengespräche.«
»Ich wusste nicht, dass Sie überhaupt Frauengespräche führen können.«
»Das können wir alle.«
»Haben Sie irgendwas über die Hochzeit erfahren? So was wie -«
»Das Porzellanmuster?«
»Genau.«
»Das war tatsächlich Lavender Rose«, sagt Amy.
»Das passt also. Ich meine, chronologisch gesehen passt es. Das Unterseeboot ist im Mai 1945 vor Palawan gesunken – vier Monate vor der Hochzeit.Wie ich meine Großmutter kenne, waren die
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