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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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muss.«
    Amy lacht. »Darin sind Sie wirklich gut. Man hat den Eindruck, Sie torkeln gleichsam von einem Moment der Verlegenheit in den nächsten.«
    Randy wird verlegen.
    »Es ist lustig zu beobachten«, sagt Amy aufmunternd. »Das spricht nur für Sie.«
    »Ich will damit sagen, dass es mich unterscheidet. Für viele Leute ist das Erschreckendste am echten Nerd nicht seine soziale Unzulänglichkeit – die hat jeder mal am eigenen Leib erlebt -, sondern die Tatsache, dass ihn das nicht im Geringsten verlegen macht.«
    »Das ist aber trotzdem bemitleidenswert.«
    »Es war bemitleidenswert, als sie noch in der High School waren«, sagt Randy. »Jetzt ist es etwas anderes. Etwas ganz anderes als bemitleidenswert.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht. Es gibt kein Wort dafür. Sie werden es sehen.«
     
     
     
    Wenn man über die Cascades fährt, erlebt man einen Klimawechsel wie sonst nur nach einer vierstündigen Reise im Flugzeug. Warmer Regen prasselt auf die Windschutzscheibe und löst die Eiskrusten an den Scheibenwischern. Was sich im März und April gewöhnlich nach und nach an Überraschungen einstellt, ist hier knapp und prägnant zusammengefasst. Das Ganze ist etwa so anregend wie ein Striptease-Video im Schnellvorlauf. Die Landschaft wird nass und so grün, dass sie schon fast blau ist, und schießt auf einem Raum von ungefähr anderthalb Kilometern geradewegs aus dem Boden. Die Überholspuren der Interstate 90 sind übersät mit braunen Schneematschhaufen, die von den Ford Broncos der heimkehrenden Wintersportler abgeschmolzen sind. Sattelschlepper rauschen in sich kräuselnden kegelförmigen Schleiern aus Wasser und Fahrtwind an ihnen vorbei. Verblüfft sieht Randy auf halber Höhe an den Hängen neue Bürohäuser, an denen Hightechfirmenlogos prangen. Dann fragt er sich, woher diese Verblüffung kommt. Amy war noch nie hier und sie nimmt die Füße von der Airbag-Abdeckung, setzt sich aufrecht hin, um sich umzuschauen, und sagt laut, sie wünschte, Robin und Marcus Aurelius wären mitgekommen, statt zurück nach Tennessee zu fahren. Randy besinnt sich darauf, auf eine der rechten Spuren hinüberzuwechseln und das Tempo zu drosseln, als sie die letzten dreihundert Höhenmeter hinunter nach Issaquah fahren, und tatsächlich steht die Highway-Polizei da und verpasst Rasern Strafzettel. Diesen Beweis von Scharfsinn findet Amy außerordentlich beeindruckend. Sie sind immer noch kilometerweit vom Stadtkern entfernt in den halb bewaldeten Vororten der East Side, wo die Nummern der Straßen und Avenues noch dreistellig sind, als Randy eine Ausfahrt nimmt und sie eine lange Geschäftsstraße entlang kutschiert, die, wie sich später herausstellt, nur die Peripherie eines großen Einkaufszentrums ist. In seiner Umgebung sind mehrere Trabanteneinkaufszentren aus dem Boden geschossen und haben alte Orientierungspunkte verwischt, sodass Randy mit seiner Navigation ins Schleudern kommt. Überall ist Betrieb, weil die Leute unterwegs sind, um ihre Weihnachtsgeschenke umzutauschen. Nach einigem Umherirren und Fluchen findet Randy das Haupteinkaufszentrum, das verglichen mit den Trabanten ein bisschen heruntergekommen aussieht. Er parkt in der entferntesten Ecke des Parkplatzes und erklärt, dass es logischer ist, es so zu machen und dann fünfzehn Sekunden lang zu laufen, als fünfzehn Minuten lang nach einer näheren Parklücke zu suchen.
    Randy und Amy stehen einen Moment lang hinter dem offenen Kofferraum des Acura und schälen sich aus plötzlich überflüssig gewordenen Ost-Washingtoner Isolierschichten. Amy macht sich Sorgen über ihre Cousins und wünscht, sie und Randy hätten ihnen ihre gesamte Kaltwetterausrüstung geschenkt; als man sie zuletzt sichtete, umkreisten sie den Impala wie zwei trägergestützte Kampflugzeuge ihr Mutterschiff kurz vor der Landung und prüften Reifendruck und Flüssigkeitspegel mit einer solchen Intensität und Aufmerksamkeit, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie hätten etwas viel Aufregenderes vor als ihre Hintern in Schalensitze zu setzen und zwei Tage lang gen Westen zu fahren. Sie haben eine ritterliche Art an sich, die die Mädchen bei ihnen zu Hause garantiert umhaut. Amy umarmte sie beide leidenschaftlich, als würde sie sie nie mehr wiedersehen, und sie ließen ihre Umarmungen mit Würde und Geduld über sich ergehen, und dann waren sie weg; dabei widerstanden sie dem Drang, einen heißen Reifen hinzulegen, bis sie ein paar Häuserblocks entfernt waren.
    Sie gehen

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