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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Truppenführer ist. Er holt tief Luft, um aufzuseufzen, und muss stattdessen vom Rauch würgen.
    »Sir, jawohl, Sir!«, sagt er und grüßt.
    »Ich bin Lieutenant Morales, und wenn Sie weitere Vorschläge haben, dann legen Sie sie mir vor oder behalten Sie sie für sich.«
    »Sir, jawohl, Sir!«, sagt Shaftoe. Den Namen des Lieutenants prägt er sich erst gar nicht ein.
    Ein paar Stunden lang arbeiten sie sich durch schmale, verstopfte Straßen nordwärts vor. Die Sonne geht auf. Ein kleines Flugzeug fliegt über die Stadt und zieht schlecht gezieltes Feuer von erschöpften, betrunkenen japanischen Truppen auf sich.
    »Eine P-51 Mustang!«, ruft Lieutenant Morales aus.
    »Das ist eine Piper Cub, verdammte Scheiße!«, sagt Shaftoe. Bis jetzt hat er den Mund gehalten, aber nun kann er einfach nicht anders. »Das ist ein Artilleriebeobachter.«
    »Wieso fliegt er dann über Manila?«, fragt Lieutenant Morales selbstgefällig. Er genießt diesen rhetorischen Triumph ungefähr dreißig Sekunden lang. Dann schlagen von Norden her die ersten Artilleriegeschosse ein und jagen diverse Gebäude in die Luft.
    In ihr erstes ernsthaftes Gefecht geraten sie ungefähr eine halbe Stunde später, und zwar mit einem Zug japanischer Luftwaffensoldaten: Sie haben sich in einem Bankgebäude in dem V verkrochen, das von zwei sich kreuzenden Boulevards gebildet wird. Lieutenant Morales denkt sich einen überaus komplizierten Plan aus, der vorsieht, dass sie sich in drei kleinere Gruppen aufteilen. Er selbst führt drei Männer nach vorn in die Deckung eines Brunnens, der mitten auf dem Platz steht. Dort werden sie sofort von heftigem Feuer der Japaner festgenagelt. Sie ducken und kauern sich ungefähr eine Viertelstunde lang im Schutz des Brunnens zusammen, dann kommt von Norden her eine Artilleriegranate herangesegelt, ein schwarzes Ei, das in makelloser, parabelförmiger Flugbahn herabgleitet und den Brunnen voll trifft. Wie sich herausstellt, handelt es sich um ein Brisanzgeschoss, das erst explodiert, wenn es etwas trifft – in diesem Falle den Brunnen. Aus einer sicheren Entfernung von ungefähr hundert Metern erteilt der Padre Lieutenant Morales und seinen Männern die letzte Ölung; diese Stelle eignet sich dafür so gut wie jede andere, da von ihren physischen Körpern ohnehin nichts mehr übrig ist.
    Bobby Shaftoe wird per Akklamation zum neuen Zugführer gewählt. Er führt die anderen um den Platz herum und umgeht dabei die Kreuzung großräumig. Irgendwo weit im Norden versucht eine der Batterien Des Generals beharrlich, sich auf die Scheißbank einzuschießen, und jagt dabei das halbe Viertel in die Luft. Darüber fliegt eine Piper Cub träge Achten und meldet sich über Funk mit Vorschlägen: »Ganz nah – ein Stückchen nach links – nein, zu weit – jetzt ein bisschen kürzer.«
    Shaftoes Gruppe braucht einen ganzen Tag, um anderthalb Kilometer näher an Malate heranzukommen. Sie wären im Nu dort, wenn sie einfach größere Straßen entlangrennen würden, aber das Artilleriefeuer wird immer heftiger, je weiter sie nach Norden kommen. Schlimmer noch, es besteht größtenteils aus Splittergranaten mit Abstandszündern, die explodieren, wenn sie noch mehrere Meter über dem Boden sind, um eine breitere Streuwirkung zu erzielen. Jede Explosion zeichnet das auseinander gespreizte Blattwerk einer verbrannten Kokospalme in die Luft.
    Shaftoe sieht keinen Sinn darin, sie alle umzubringen. Also arbeiten sie sich straßenzugweise vorwärts, sprinten einer nach dem anderen von Eingang zu Eingang und suchen sehr sorgfältig die Gebäude ab, falls dort irgendwelche Nips darauf lauern, von den Fenstern aus auf sie zu schießen. Wenn das passiert, müssen sie Deckung nehmen, sich das Gebäude genau ansehen, Vermutungen über dessen Grundriss anstellen, Männer losschicken, um diverse Visierlinien zu überprüfen. Normalerweise ist es eigentlich nicht schwierig, die Nips aus dem Gebäude herauszutreiben, aber es ist zeitraubend.
    Gegen Sonnenuntergang suchen sie Unterschlupf in einem halb abgebrannten Wohnhaus und schlafen abwechselnd ein paar Stunden lang. Dann marschieren sie die ganze Nacht hindurch, in der das Artilleriefeuer nachlässt. Bobby Shaftoe bringt den gesamten Rest des Zuges – neun Mann einschließlich des Padre – bis gegen vier Uhr morgens nach Malate. Mit Anbruch der Dämmerung haben sie die Straße erreicht, in der die Altamiras wohnen oder wohnten. Sie kommen gerade rechtzeitig, um mitzuerleben, wie der gesamte

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