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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Polizeiauto zu seiner neuen Gefängniseinzelzelle fährt, muss er noch einmal an die ganze Weisheitszahngeschichte denken, weil sie so viel mit dem gemein hat, was er gerade gefühlsmäßig mit America Shaftoe durchlebt hat. Randy hat ein paar – nicht viele – Freundinnen in seinem Leben gehabt, aber alle waren sie wie Kieferchirurgen, die es einfach nicht bringen. Amy ist die Einzige, die die Fähigkeit und den Mumm besaß, ihn einfach anzusehen, »okay« zu sagen, sich in seinen Schädel zu wühlen und mit der fetten Beute wieder herauszukommen. Bestimmt war es anstrengend für sie. Im Gegenzug wird sie ihm einen hohen Preis abverlangen. Und Randy wird anschließend eine ganze Weile daliegen und vor Schmerz stöhnen. Aber er weiß jetzt schon, dass der innere Druck nachgelassen hat, und er ist froh, so froh, dass sie in sein Leben getreten ist und er endlich die Klugheit und wohl auch den Mut gehabt hat, es zu tun. Für ein paar Stunden vergisst er völlig, dass der philippinische Staat ihn mit dem Tode bedroht.
    Aus der Tatsache, dass er in einem Auto sitzt, schließt Randy, dass seine neue Einzelzelle sich in einem anderen Gebäude befindet. Niemand erklärt ihm irgendetwas, schließlich ist er ja ein Häftling. Seit der Festnahme am NAIA war er in einem Gefängnis unten im Süden, einem ziemlich neuen Betonbau am Rand von Makati, aber jetzt bringen sie ihn nach Norden in die älteren Teile von Manila, vermutlich in eine stilvollere, uralte Anlage aus derVorkriegszeit. In Fort Santiago am Ufer des Pasig gab es Zellen, die in der Gezeitenzone lagen, so dass Häftlinge, die bei Ebbe eingesperrt wurden, bei Flut tot waren. Das ist jetzt eine historische Stätte und Randy weiß, dass sie dort nicht hinfahren.
    Tatsächlich liegt das neue Gefängnis in einem großen schaurigen alten Gebäude irgendwo inmitten wichtiger Regierungsinstitutionen, die das tote Loch von Intramuros wie ein Wulst umgeben. Es befindet sich nicht in, aber gleich neben einem größeren Gerichtsgebäude. Eine Weile fahren sie auf schmalen Gassen zwischen diesen großen alten Steinbauten hindurch, legen an einem Wachhaus ihre Papiere vor und warten, bis ein schweres Eisentor zur Seite gerollt wird; dann fahren sie über einen gepflasterten Hof, der schon länger nicht mehr gekehrt worden ist, zeigen wieder Papiere vor und warten darauf, dass ein echtes Fallgitter hochgezogen wird, hinter dem eine Rampe sie unter das Gebäude führt. Hier bleibt das Auto stehen und auf einmal sind sie von uniformierten Männern umringt.
    Was jetzt folgt, hat unheimliche Ähnlichkeit mit der Vorfahrt vor dem Haupteingang eines asiatischen Businesshotels, sieht man einmal davon ab, dass die Uniformierten bewaffnet sind und Randy nicht anbieten, ihm den Laptop zu tragen. Um die Taille hat Randy eine Kette, an der vorne Handschellen befestigt sind, und an den Füßen eine Kette, die seinen Schritt verkürzt. Die Fußkette wird in der Mitte von einer anderen Kette, die mit der um die Taille verbunden ist, hochgezogen, damit sie nicht auf dem Boden schleift. Seine Hände haben gerade so viel Bewegungsfreiheit, dass sie den Laptop festhalten und gegen seinen Unterleib pressen können. Er ist nicht irgendein armer Teufel in Ketten, er ist ein digitaler armer Teufel in Ketten, Marleys Geist auf der Superdatenautobahn. Dass man einem Mann in seiner Lage gestattet, seinen Laptop zu behalten, ist auf so groteske Weise unglaubwürdig, dass es ihn sogar an seiner eigenen äußerst zynischen Einschätzung des Ganzen zweifeln lässt, die da lautet: Jemand – vermutlich derselbe Jemand, der ihm eine Botschaft schickt – hat bereits entdeckt, dass auf seiner Festplatte alles verschlüsselt ist, und versucht nun, ihn mithilfe einer List dazu zu bringen, dass er das Gerät startet und daran arbeitet, damit – ja, damit was? Vielleicht haben sie in seiner Zelle eine Kamera installiert, um ihm über die Schulter zu schauen. Diese Hoffnung kann er jedoch, wenn er sich nicht ganz blöd anstellt, leicht zunichte machen.
    Die Wachen führen Randy einen Gang hinunter und an einem Anmeldeposten für Häftlinge vorbei, der ihn aber eigentlich nichts angeht, da er schon in einem anderen Gefängnis die Formulare ausgefüllt und seine persönliche Habe abgegeben hat. Dann fangen die beängstigenden riesenhaften Metalltüren an, und Gänge, die nicht besonders gut riechen, und er hört das für Gefängnisse typische allgemeine Stimmengewirr. Sie bringen ihn jedoch daran vorbei durch weitere

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