Cryptonomicon
abgespeichert«, sagt Randy.
»Dann lassen Sie uns spielen«, sagt Enoch Root.
Freier Fall
Shaftoe springt aus dem Flugzeug. Die Luft ist hier oben anregend kalt und der Wind-Kälte-Faktor ist eine Wucht. Zum ersten Mal seit einem Jahr fühlt sich seine Haut nicht widerlich heiß und verschwitzt an.
Etwas reißt kräftig an seinem Rücken: die noch ans Flugzeug angeklinkte, selbsttätige Aufziehleine – Gott bewahre, dass man amerikanische Soldaten mit der Aufgabe betraut, selbst ihre Reißleine zu ziehen. Er sieht die Stabssitzung, auf der das Prinzip der selbsttätigen Aufziehleine ausgebrütet wurde, förmlich vor sich: »Herrgott noch mal, Herr General, das sind bloß einfache Soldaten! Sobald sie aus dem Flugzeug springen, werden sie vermutlich anfangen, von ihrer Liebsten zu träumen, ein paar Schlucke aus ihrem Flachmann nehmen, ein Nickerchen machen, und ehe man sich’s versieht, knallen sie mit ein paar hundert Stundenkilometern ungespitzt in den Boden!«
Der Bremsfallschirm flattert nach oben, fängt Luft und weidet dann mit einem einzigen Ruck den Hauptpacksack aus. Es rüttelt und schaukelt ein wenig, während Bobby Shaftoes Körper die ungeordnete Seidenwolke nach unten zieht, dann öffnet sie sich knatternd, und er hängt im Raum und sein dunkler Körper bildet für etwaige japanische Gewehrschützen auf dem Boden ein kleines, perfektes Ziel in der Mitte des gebrochen weißen Baldachins.
Kein Wunder, dass sich die Fallschirmjäger für Götter unter Menschen halten: Sie haben einen herrlichen Blick, einen viel besseren jedenfalls als ein armes Frontschwein von den Marines, das am Strand festsitzt und immer nur hügelaufwärts in Reihen von Bunkern schaut. Unter ihm breitet sich ganz Luzon aus. Über einen Pflanzenteppich hinweg, der so dicht ist wie Filz, kann er zwei- bis dreihundert Meilen nach Norden sehen, bis hin zu den Bergen, in denen sich General Yamashita, der Löwe von Malaya, mit hunderttausend Mann verschanzt hat, von denen jeder Einzelne nichts lieber täte, als sich massenhaft Sprengstoff an den Körper zu schnallen, sich nachts durch die feindlichen Linien zu schleichen, mitten in eine große Konzentration von Amerikanern zu laufen und sich für seinen Kaiser in die Luft zu jagen. Steuerbord von Shaftoe liegt die Manila Bay und selbst aus dieser Entfernung – knapp fünfzig Kilometer – kann er den Dschungel in Ufernähe plötzlich schütter und braun werden sehen, wie ein abgetrenntes Blatt, das von den Rändern her verdorrt – es muss das sein, was von der Stadt Manila noch übrig ist. Die dicke, etwas über dreißig Kilometer lange Landzunge, die sich auf ihn zu erstreckt, ist Bataan. Ein Stück weit vor ihrer Spitze liegt eine Felseninsel, geformt wie eine Kaulquappe mit grünem Kopf und knochigem braunem Schwanz: Corregidor. Aus vielen Öffnungen auf der Insel, die von den Amerikanern weitgehend zurückerobert worden ist, quillt Rauch. Nicht wenige Japaner haben sich lieber in ihren unterirdischen Bunkern in die Luft gesprengt als sich zu ergeben. Diese Heldentat hat irgendwen in der Befehlskette Des Generals auf eine schlaue Idee gebracht.
Ein paar Kilometer von Corregidor entfernt liegt reglos etwas auf dem Wasser, das wie ein absurd gedrungenes, asymmetrisches Schlachtschiff, nur viel größer, aussieht. Es ist von amerikanischen Kanonenbooten und Landungskräften eingekreist. Aus einer Quelle auf seinem Dach weht eine rote Rauchfahne in Windrichtung: eine Rauchbombe, die man vor ein paar Minuten an einem Fallschirm aus Shaftoes Flugzeug abgeworfen hat. Im Herabschweben kann Shaftoe, den der Wind direkt darauf zutreibt, die Körnung des Stahlbetons erkennen, aus dem dieses Wunderwerk besteht. Früher war es ein Trockendock in der Manila Bay. Die Spanier haben dort eine Festung gebaut, die Amerikaner haben eine Kette von Artilleriestellungen obendrauf gesetzt, und als die Nips kamen, verwandelten sie das Ganze in eine solide Festung aus Stahlbeton, mit zehn Meter dicken Wänden und ein paar Geschütztürmen mit 14-Zoll-Zwillingskanonen obendrauf. Diese Kanonen sind längst zum Schweigen gebracht worden; Shaftoe kann lange Risse in den Rohren erkennen, und Krater wie gefrorene Spritzer im Stahl. Obwohl er auf das Dach einer uneinnehmbaren japanischen Festung abspringt, die gerammelt voll ist von schwer bewaffneten Männern auf der verzweifelten Suche nach einer möglichst pittoresken Todesart, ist Shaftoe vollkommen sicher; jedes Mal, wenn ein Nip einen Gewehrlauf oder
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