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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dem Verhältnis von Athene-Kult und Christentum jetzt auf Umwegen?«
    »Finden Sie es nicht höchst bemerkenswert, dass Sie sich auf dem Bildschirm Ihres Computers eine Folge von Buchstaben – eine E-Mail von jemandem, den Sie noch nie gesehen haben – anschauen und später dieselbe Person am Telefon ›erkennen‹? Wie funktioniert das, Randy?«
    »Ich habe nicht die blasseste Ahnung. Das Gehirn kann sonderbare -«
    »Manche beklagen, E-Mail sei so unpersönlich – Ihr Kontakt mit mir während der E-Mail-Phase unserer Beziehung sei durch Drähte, Bildschirme und Kabel vermittelt worden. Manche würden sagen, das sei nicht so gut wie ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Unsere Wahrnehmung der Dinge wird aber immer durch Horn- und Netzhäute, Sehnerven und ein paar nervale Mechanismen, die die Information vom Sehnerv zum Gehirn transportieren, vermittelt. Ist denn das Anschauen von Wörtern auf einem Bildschirm so viel schlechter? Ich glaube nicht; dabei ist man sich wenigstens der Verzerrungen bewusst. Wenn man dagegen jemanden vor sich stehen sieht, vergisst man die Verzerrungen und stellt sich vor, man erlebe ihn rein und unvermittelt.«
    »Und was ist nun Ihre Erklärung dafür, wie ich Sie erkannt habe?«
    »Ich würde behaupten, in Ihrem Bewusstsein gab es ein Muster neuronaler Aktivität, das vor unserem Austausch von E-Mails nicht vorhanden war. Die Root-Repräsentation. Das bin nicht ich . Ich , das ist dieser große Klumpen aus Kohlenstoff, Sauerstoff und ein paar anderen Stoffen hier auf der Pritsche neben Ihnen. Die Root-Rep dagegen ist das Ding, das Sie, sofern Sie nicht irgendeine schwere Hirnverletzung erleiden, für den Rest Ihres Lebens in Ihrem Gehirn herumtragen und das Ihr Bewusstsein benutzt, um sich eine Vorstellung von mir zu machen. Mit anderen Worten, wenn Sie an mich denken, denken Sie nicht an mich als diesen großen Klumpen Kohlenstoff, sondern Sie denken an die Root-Rep. So kann es sein, dass Sie eines Tages, wenn Sie aus dem Gefängnis entlassen sind, jemanden treffen, der sagt: ›Wissen Sie, ich war mal auf den Philippinen, da habe ich mitten in der Wildnis zufällig so einen alten Knacker getroffen, der anfing, mir was von Root-Reps zu erzählen.‹ Und indem Sie mit diesem Burschen (gewissermaßen) Eindrücke austauschen, werden Sie über jeden berechtigten Zweifel hinweg die Gewissheit erlangen, dass die Root-Rep in ihrem und die in seinem Gehirn von ein und demselben realen Klumpen Kohlenstoff, Sauerstoff und so weiter erzeugt worden ist, nämlich von mir.«
    »Und das soll nun etwas mit Athene zu tun haben?«
    »Wenn Sie sich die griechischen Götter als reale übernatürliche Geschöpfe vorstellen, die auf dem Olymp lebten, dann nicht. Befinden sie sich in Ihrer Vorstellung jedoch in derselben Kategorie von Wesenheiten wie die Root-Rep, das heißt Mustern neuronaler Aktivität, die das Bewusstsein benutzt, um sich Dinge vorzustellen, die es in der äußeren Welt sieht oder zu sehen glaubt, dann ja. Griechische Götter können plötzlich genauso interessant und bedeutsam sein wie tatsächlich existierende Menschen. Warum? So wie Sie vielleicht eines Tages einem Mann mit einer eigenen Root-Rep begegnen, würden Sie möglicherweise, wenn Sie sich mit einem Menschen aus dem klassischen Griechenland über Zeus unterhalten könnten – nachdem Sie erst einmal Ihre Überlegenheitsgefühle überwunden hätten -, feststellen, dass Sie in Ihrem Bewusstsein über ein paar geistige Abbildungen verfügen, die, obwohl Sie sie nicht Zeus genannt und sich nicht als kräftigen, behaarten, Blitze schleudernden Sohn eines Titanen vorgestellt haben, dennoch als Ergebnis von Interaktionen mit Gebilden in der äußeren Welt erzeugt wurden, die auch zu der Zeus-Repräsentation im Bewusstsein des Griechen geführt haben. An dieser Stelle könnten wir eine Weile über Platons Höhlengleichnis reden – das Metaphernschnitzelwerk – es hobelt und raspelt!«
    »In dem«, sagt Randy, »die tatsächlichen Gebilde der realen Welt die dreidimensionalen realen Dinge sind, die die Schatten werfen, dieser griechische Kerl und ich sind die armen angeketteten Teufel, die die Schatten dieser Dinge an den Wänden anschauen, und dann ist es einfach so, dass die Form der Wand vor mir sich von der Form der Wand vor dem Griechen unterscheidet -«
    »- sodass ein Schatten, wenn er auf Ihre Wand fällt, eine andere Form annimmt, als wenn er auf seine fällt, wobei die verschiedenen Wandformen hier, sagen wir, Ihrem

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