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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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es. Das Cryptonomicon beschreibt außerdem diverse Algorithmen, die wahrscheinlich ganz nützlich sind, und Randy implementiert auch sie in C++. Das ist eine fade Arbeit, aber er hat sonst nichts zu tun, und speziell diese Art von fader Arbeit hat unter anderem den Vorteil, dass sie einen in allen Einzelheiten mit der zugrunde liegenden Mathematik vertraut macht; wenn man die Mathematik nicht versteht, kann man den Code nicht schreiben. Während die Tage verstreichen, verwandelt sich Randys Verstand annäherungsweise in den eines Kryptoanalytikers. Diese Verwandlung zeigt sich an dem allmählichen Zuwachs von Code in seiner Bibliothek für Codeknacker.
    Er und Enoch Root gewöhnen sich an, während und nach ihren Mahlzeiten Gespräche miteinander zu führen. Beide scheinen ein recht kompliziertes Innenleben zu haben, das eingehender Pflege bedarf, und so ignorieren sie einander für den Rest des Tages. Anekdote um Anekdote zeichnet Randy die Flugbahn seines Lebens bis zur Gegenwart. Ebenso spricht Enoch vage von irgendwelchen Kriegsereignissen, dann darüber, wie das Leben in England nach dem Krieg und in den Fünfzigerjahren in den USA ausgesehen hat. Anscheinend war er einmal eine Zeit lang katholischer Priester, wurde jedoch aus irgendeinem Grund aus der Kirche ausgestoßen; er sagt nicht, warum, und Randy fragt nicht. Danach wird alles verschwommen. Er erwähnt, dass er während des Vietnamkrieges viel Zeit auf den Philippinen verbracht hat, was zu Randys allgemeiner Hypothese passt: Falls es stimmt, dass der alte Comstock die philippinische Botanik von US-Truppen nach der Hauptlagerstätte hat durchkämmen lassen, dann hat Enoch bestimmt in der Nähe sein wollen, um sich einzumischen oder sie zumindest im Auge zu behalten. Enoch behauptet, er sei auch viel auf Achse gewesen, um Internet-Kram nach China zu bringen, aber in Randys Ohren hört sich das bloß wie eine Tarngeschichte für etwas anderes an.
    Es fällt schwer, nicht auf den Gedanken zu kommen, dass Enoch Root und General Wing vielleicht ganz andere Gründe haben, aufeinander sauer zu sein.
    »Wenn ich mal eben den advocatus diaboli spielen darf, was genau meinen Sie eigentlich, wenn Sie davon reden, die Zivilisation verteidigen zu wollen?«
    »Aber Randy, das wissen Sie doch.«
    »Ja, aber China ist doch zivilisiert, oder? Und das schon eine ganze Weile.«
    »Ja.«
    »Also spielen Sie und General Wing ja vielleicht in derselben Mannschaft.«
    »Wenn die Chinesen so zivilisiert sind, wie kommt es dann, dass sie nie irgendwas erfinden?«
    »Was – Papier, Schießpulver -«
    »In den letzten tausend Jahren, meine ich.«
    »Keine Ahnung. Was glauben Sie denn, Enoch?«
    »Es ist das Gleiche wie bei den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs.«
    »Ich weiß, dass in den Dreißigern sämtliche Geistesgrößen aus Deutschland geflohen sind – Einstein, Born -«
    »Und Schrödinger und von Neumann und andere – aber wissen Sie auch, warum sie geflohen sind?«
    »Na ja, weil sie die Nazis nicht mochten, natürlich.«
    »Aber wissen Sie eigentlich, warum genau die Nazis sie nicht mochten?«
    »Viele davon waren Juden...<
    »Es geht tiefer als bloßer Antisemitismus. Hilbert, Russell, Whitehead, Gödel, sie alle waren an der monumentalen Tat beteiligt, die Mathematik umzustürzen und wieder ganz von vorn anzufangen. Die Nazis dagegen glaubten, die Mathematik sei eine heroische Wissenschaft, deren Zweck darin bestehe, Chaos in Ordnung zu verwandeln – das Gleiche, was der Nationalsozialismus in der Sphäre der Politik leisten sollte.«
    »Okay«, sagt Randy, »allerdings haben die Nazis nicht begriffen, dass sie noch heroischer ist als vorher, wenn man sie umstürzt und wieder aufbaut.«
    »Eben. Es hat zu einer Renaissance geführt«, sagt Root, »wie im siebzehnten Jahrhundert, als die Puritaner alles in Schutt und Asche legten und dann ganz langsam von null an wieder aufbauten. Immer und immer wieder sehen wir, wie das Muster der Titanomachie sich wiederholt – die alten Götter werden gestürzt, das Chaos kehrt zurück, doch aus dem Chaos schälen sich wieder die gleichen Muster heraus.«
    »Okay. Also reden Sie – mal wieder – von der Zivilisation?«
    »Immer wieder taucht Ares aus dem Chaos auf. Es wird nie verschwinden. Die athenische Zivilisation verteidigt sich mit metis, d. h. Technologie, gegen die Kräfte des Ares. Technologie baut auf Wissenschaft auf. Die Wissenschaft gleicht dem alchemistischen Uroburos, der ständig seinen eigenen Schwanz

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