Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
gesellschaftliches Ungeschick selbst ein alter Hase, reagiert sofort, als wäre er tatsächlich um Informationen gebeten worden. »Ich kann nur annehmen, dass Sie jemandem ins Gehege gekommen sind, der in diesem Land eine Menge Einfluss hat. Wie es scheint, versucht jemand, Ihnen eine -«
    »Nein! Still«, sagt Randy. »Sagen Sie’s nicht.« Nun sieht ihn Kepler fragend an, deshalb fährt Randy fort. »Die Theorie mit der Nachricht ist nicht haltbar.«
    Ein paar Momente lang wirkt Kepler ehrlich verblüfft, dann grinst er tatsächlich leicht. »Also, ein Versuch, Sie aus dem Weg zu räumen, ist es jedenfalls nicht, denn -«
    »Offensichtlich«, sagt Randy.
    »Ja. Offensichtlich.«
    Erneut folgt eine jener langen Gesprächspausen; Kepler wirkt unsicher. Randy macht ein Hohlkreuz und reckt sich. »Der Stuhl in meiner Zelle ist nicht gerade das, was man ergonomisch nennt«, sagt er. Er streckt die Arme vor und wackelt mit den Fingern. »Meine Handwurzeln werden mir wieder Probleme machen. Das spüre ich.«
    Er beobachtet Kepler ziemlich genau, während er das sagt, und es besteht kein Zweifel, dass sich nun echte Verblüffung über dessen Gesicht legt. Der Dentist verfügt nur über einen einzigen (bereits beschriebenen) Gesichtsausdruck, doch dieser ist von wechselnder Intensität; je nach den Empfindungen Keplers mal stärker, mal schwächer. Der Gesichtsausdruck des Dentisten beweist, dass er bis jetzt keine Ahnung hatte, dass man Randy einen Computer in seiner Zelle erlaubt hat. In der Dann-wollen-wir-mal-sehen-dass-wir-rauskriegenwas-zum-Teufel-eigentlich-los-ist-Abteilung ist der Computer das wichtigste Instrument und Kepler hat erst jetzt davon erfahren. Und so hat er nun, je nachdem wie sehr ihn das Ganze tatsächlich interessiert, eine Menge Nüsse zu knacken. Er verabschiedet sich denn auch ziemlich bald.
    Keine halbe Stunde später taucht ein fünfundzwanzigjähriger Amerikaner mit Pferdeschwanz auf und hat eine kurze Audienz bei Randy. Wie sich herausstellt, arbeitet er für Chester in Seattle, ist gerade in dessen Privatjet über den Atlantik geflogen und vom Flughafen geradewegs hierher gekommen. Er ist völlig aufgekratzt, läuft in total überdrehtem Modus und quasselt unentwegt. Das Wunder seines plötzlichen Fluges über den Ozean im Privatjet eines reichen Typen hat ihn wirklich tief beeindruckt und er braucht offenbar jemanden, mit dem er dieses Gefühl teilen kann. Er hat ein »Care-Paket« mitgebracht, das ein bisschen Junk-Food, ein paar Schundromane, die größte Flasche Pepto-Bismol, die Randy je gesehen hat, einen Discman und einen kubischen Stapel CDs enthält. Über die Sache mit den Batterien kommt der Typ einfach nicht hinweg; man hat ihm gesagt, er solle haufenweise Reservebatterien mitbringen, und das hat er auch getan, und natürlich sind zwischen der Gepäckabfertigung am Flughafen und der Zollkontrolle sämtliche Batterien verschütt gegangen, außer einem Päckchen, das er in der Tasche seiner langen, schlabbrigen Seattle-Grunge-Shorts hatte. Seattle ist voll von solchen Typen, die nach dem Examen eine Münze geworfen haben (Kopf Prag, Zahl Seattle) und einfach mit der Erwartung dort auftauchten, dass sie, weil sie jung und gescheit waren, einen Job finden und Geld machen würden, und die dann entsetzlicherweise genau das taten. Randy ist schleierhaft, wie sich die Welt für einen solchen Typen darstellt. Es kostet ihn einige Mühe, den Kerl loszuwerden, der die weit verbreitete Annahme teilt, dass es Randy, bloß weil er im Knast sitzt, dreckig geht und er nichts Besseres zu tun hat, als sich mit Besuchern auszutauschen.
    Als Randy in seine Zelle zurückkommt, setzt er sich mit seinem Discman im Schneidersitz auf seine Pritsche und beginnt die CDs auszulegen wie die Karten bei einer Partie Patience. Die Auswahl ist ziemlich ordentlich: eine Doppel-CD der Brandenburgischen Konzerte, eine Sammlung mit Orgelfugen von Bach (Computer-Frickler stehen auf Bach), ein bisschen Louis Armstrong, ein bisschen Wynton Marsalis und außerdem diverse CDs von Hammerdown Systems, einem in Seattle beheimateten Label, in das Chester einiges investiert hat. Es handelt sich um ein Label der zweiten Generation der dortigen Musikszene; sämtliche Künstler sind junge Leute, die nach dem Examen auf der Suche nach der legendären Musikszene nach Seattle kamen und feststellten, dass es sie gar nicht gab – es gab nur zwei Dutzend Leute, die miteinander im Keller herumsaßen und Gitarre spielten -, sodass sie

Weitere Kostenlose Bücher