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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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reich gemacht. Das Gold zu bekommen war das Schlimmste, was den Philippinen passieren konnte. Es hat sie arm gemacht.«
    »Dann holen wir es aus den Philippinen heraus«, sagt Avi, »damit sie auch Gelegenheit haben, reich zu werden.«
    »Ah! Das hört sich schon vernünftiger an«, sagt Goto Dengo. »Also wollen Sie das Gold herausholen und es im Ozean versenken?«
    »Nein«, sagt Avi mit nervösem Kichern.
    Goto Dengo hebt die Augenbrauen. »Aha. Sie möchten bei dem Geschäft also reich werden?«
    An dieser Stelle passiert etwas bei Avi, was Randy bei ihm nie auch nur ansatzweise gesehen hat: Er wird stinkwütend. Er wirft weder den Tisch um, noch wird er laut. Aber er läuft rot an, seine Schädelmuskeln treten hervor, als er die Zähne zusammenbeißt, und er atmet eine Zeit lang schwer durch die Nase. Beide Gotos scheinen davon recht beeindruckt und so sagt eine ganze Weile niemand etwas, wodurch Avi die Möglichkeit hat, sich wieder zu beruhigen. Es scheint, als brächte er kein Wort heraus, und schließlich zückt er seine Brieftasche und durchwühlt sie, bis er auf eine Schwarzweißfotografie stößt, die er aus dem Klarsichtfach zieht und Goto Dengo reicht. Es ist ein Familienporträt: Vater, Mutter, vier Kinder, ihrer Erscheinung nach Mitteleuropäer aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. »Mein Großonkel«, sagt Avi, »und seine Familie.Warschau 1937. Seine Zähne sind da unten in dem Loch. Sie haben die Zähne meines Großonkels vergraben!«
    Goto Dengo blickt Avi in die Augen, und das weder zornig noch Abbitte leistend. Bloß traurig. Und das scheint seine Wirkung auf Avi nicht zu verfehlen, der nachgiebiger wird, schließlich ausatmet und den Blickkontakt abbricht.
    »Ich weiß, Sie hatten wahrscheinlich keine Wahl«, sagt Avi. »Aber Sie haben es nun mal getan. Ich habe weder ihn noch einen meiner anderen Verwandten gekannt, die in der Shoah umgekommen sind. Aber ich würde mit Freuden jedes Gramm dieses Goldes im Ozean versenken, wenn ich sie dafür anständig begraben könnte. Und das tue ich auch, wenn das Ihre Bedingung ist. Aber eigentlich hatte ich vor, es so zu verwenden, dass dergleichen nie wieder geschehen kann.«
    Goto Dengo denkt eine Zeit lang darüber nach und blickt dabei mit steinernem Gesicht hinaus auf die Lichter von Tokio. Dann hakt er seinen Stock von der Tischkante los, stößt ihn auf den Boden und stemmt sich hoch. Er wendet sich Avi zu, strafft sich und verbeugt sich dann. Es ist die tiefste Verbeugung, die Randy je gesehen hat. Schließlich richtet er sich auf und setzt sich wieder.
    Die Spannung hat nachgelassen. Alle sind gelöst, um nicht zu sagen erschöpft.
    »General Wing steht dicht davor, Golgatha zu finden«, sagt Randy, nachdem eine angemessene Pause verstrichen ist. »Entweder er oder wir.«
    »Dann also wir«, sagt Goto Dengo.

R.I.P.
    Die Schüsse aus den Gewehren der Marines hallen über den Friedhof und ihr scharfes Knallen springt wie eine Pachinko-Kugel von Grabstein zu Grabstein. Goto Dengo bückt sich und steckt die Hand in einen Haufen loser Erde. Das fühlt sich gut an. Er schaufelt eine Hand voll von dem Zeug auf. Es rieselt ihm zwischen den Fingern hindurch, krümelt über die Hosenbeine seiner steifen, neuen United-States-Army-Uniform und bleibt in den Aufschlägen hängen. Er tritt an den scharfen Rand des Grabes und bröselt die Erde aus seiner Hand auf den Standard-Sarg, der Bobby Shaftoe enthält. Er bekreuzigt sich, senkt den Blick auf den mit Erde beschmutzten Sargdeckel und hebt dann mit einiger Mühe wieder den Kopf, der sonnenerleuchteten Welt alles Lebenden entgegen. Von ein paar Grashalmen und einigen Mücken abgesehen ist das erste Lebende, was er sieht, ein Paar Füße in Sandalen aus alten Jeep-Reifen und sie gehören einem Weißen, der in ein formloses braunes Gewand mit großer Kapuze gehüllt ist. Aus dem Schatten der Kapuze starrt das übernatürlich sonderbare Gesicht (sonderbar insofern, als er einen roten Bart und graue Haare hat) von Enoch Root – einer Gestalt, die Goto Dengo immer wieder über den Weg läuft, während er in Manila herumläuft und versucht, seine Aufgaben auszuführen. Goto Dengo wird von dem wilden Blick gepackt und gelähmt.
    Sie spazieren über den üppig blühenden Friedhof.
    »Gibt es etwas, was Sie mir sagen möchten?«, fragt Enoch.
    Goto Dengo wendet den Kopf, um Root in die Augen zu schauen. »Man hat mir gesagt, der Beichtstuhl sei ein Ort vollkommener Geheimnisse.«
    »Das stimmt«, sagt

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