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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Gleiche hinschreiben.«
    »Richtig.«
    »Dann tauschen wir die Karten aus. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Schön.« Goto Dengo fängt zu schreiben an. Randy zieht einen Stift aus der Tasche und schreibt die Sekunden und Zehntelsekunden hin: Breite 35,2, Länge 59,0. Als er fertig ist, sieht Goto Dengo ihn erwartungsvoll an. Die Seite mit den Zahlen nach unten gedreht, hält Randy ihm seine Karte hin und Goto Dengo tut das Gleiche. Mit der leichten Verbeugung, die hierzulande üblich ist, tauschen sie sie aus. Randy hält Goto-samas Karte in der hohlen Hand und dreht sie ins Licht. Darauf steht:
    35,2/59,0
    Zehn Minuten lang sagt keiner etwas. Wie fassungslos Randy ist, geht daraus hervor, dass er lange Zeit nicht mitbekommt, dass Goto Dengo genauso fassungslos ist wie er. Avi und Furudenendu sind die einzigen Menschen im Raum, deren Verstand noch funktioniert, und sie blicken einander die ganze Zeit unsicher an, weil keiner von ihnen so recht begreift, was eigentlich los ist.
    Schließlich sagt Avi etwas, was Randy nicht hört. Er stößt Randy kräftig an und sagt es noch einmal: »Ich gehe auf die Toilette.«
    Randy sieht ihm nach, zählt bis zehn und sagt: »Entschuldigen Sie bitte.« Er folgt Avi in die Herrentoilette: schwarzer, polierter Stein, flauschige weiße Handtücher und mittendrin Avi mit verschränkten Armen. »Er weiß Bescheid«, sagt Randy.
    »Das glaube ich einfach nicht.«
    Randy zuckt die Achseln. »Was soll ich sagen? Er weiß Bescheid.«
    »Wenn er Bescheid weiß, dann weiß jeder Bescheid. Unsere Sicherheitsmaßnahmen haben irgendwo versagt.«
    »Es weiß nicht jeder Bescheid«, sagt Randy. »Wenn jeder Bescheid wüsste, wäre da unten der Teufel los, und Enoch hätte uns das gesagt.«
    »Woher weiß er es dann?«
    »Avi«, sagt Randy, » er muss derjenige sein, der es vergraben hat.«
    Avi macht ein empörtes Gesicht. »Du willst mich wohl verscheißern?«
    »Hast du eine bessere Theorie?«
    »Ich dachte, alle, die das Zeug vergraben haben, wären ums Leben gekommen.«
    »Man kann wohl zu Recht sagen, dass er überlebt hat. Meinst du nicht auch?«
    Zehn Minuten später kehren sie zum Tisch zurück. Goto Dengo hat das Restaurantpersonal wieder hereingelassen und man hat Dessert-Speisekarten gebracht. Sonderbarerweise hat der Alte wieder auf höfliches Geplauder umgeschaltet und Randy merkt allmählich, dass er dahinter zu kommen versucht, woher zum Teufel Randy weiß, was er weiß. Randy erwähnt beiläufig, dass sein Großvater 1945 in Manila Kryptoanalytiker gewesen sei. Goto Dengo seufzt sichtlich vor Erleichterung und wird ein wenig fröhlicher. Es folgt weiteres, völlig belangloses Geplauder, bis der Kaffee serviert worden ist. Dann beugt sich der Patriarch vor, um auf etwas aufmerksam zu machen. »Ehe Sie trinken – schauen Sie bitte hin!«
    Randy und Avi schauen in ihre Tassen. Ihr Kaffee ist von einer sonderbar glitzernden Schaumschicht überzogen.
    »Das ist Gold«, erklärt Furudenendu. Beide Gotos lachen. »In den Achtzigern, als Japan so viel Geld hatte, war das Mode: Kaffee mit Goldstaub. Mittlerweile ist das nicht mehr Mode. Zu protzig. Aber trinken Sie ruhig.«
    Randy und Avi kommen der Aufforderung – ein wenig nervös – nach. Der Goldstaub setzt sich auf ihrer Zunge ab und wird dann hinuntergespült.
    »Sagen Sie mir, was Sie davon halten«, fordert Goto Dengo.
    »Es ist dumm«, sagt Randy.
    »Ja.« Goto Dengo nickt ernst. »Es ist dumm. Also verraten Sie mir eines: Warum wollen Sie noch mehr davon ausgraben?«
    »Wir sind Geschäftsleute«, sagt Avi. »Wir machen Geld. Gold ist Geld wert.«
    »Gold ist der Leichnam des Werts«, sagt Goto Dengo.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Wenn Sie es verstehen wollen, dann schauen Sie zum Fenster hinaus!«, sagt der Patriarch und schwenkt seinen Stock in einem Bogen, der halb Tokio umfasst. »Vor fünfzig Jahren stand das alles in Flammen. Jetzt brennen hier Lichter! Verstehen Sie? Die Führer Japans waren dumm. Sie haben alles Gold aus Tokio herausgeschafft und es auf den Philippinen in Löchern im Boden vergraben! Weil sie glaubten, der General würde in Tokio einmarschieren und es stehlen. Aber Den General kümmerte das Gold nicht. Er hat begriffen, dass das eigentliche Gold hier liegt« – er deutet auf seinen Kopf -, »in der Intelligenz der Menschen, und hier« – er streckt die Hände aus -, »in der Arbeit, die sie leisten. Dass wir unser Gold losgeworden sind, war das Beste, was Japan je passiert ist. Es hat uns

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