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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Enoch.
    »Woher wissen Sie es dann?«
    »Was weiß ich?«
    »Ich glaube, Ihre Kirchenbrüder haben Ihnen etwas gesagt, was Sie nicht wissen sollten.«
    »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Das Beichtgeheimnis ist nicht verletzt worden. Ich habe nicht mit dem Priester gesprochen, der Ihnen Ihre erste Beichte abgenommen hat, und wenn ich es täte, würde er mir nichts sagen.«
    »Woher wissen Sie es dann?«, fragt Goto Dengo.
    »Ich habe da so meine Methoden. Zum Beispiel weiß ich, dass Sie ein Gräber sind. Ein Mann, der große Löcher im Boden anlegt. Das hat mir unser gemeinsamer Freund Pater Ferdinand gesagt.«
    »Ja.«
    »Die Japaner haben viel Aufwand getrieben, um Sie hierher zu bringen. Das hätten sie bestimmt nicht getan, wenn das Loch, das Sie graben sollten, nicht wichtig gewesen wäre.«
    »Es gibt tausend Gründe, warum sie das getan haben könnten.«
    »Ja«, sagt Enoch Root, »aber nur ein paar, die plausibel sind.«
    Eine Zeit lang spazieren sie stumm weiter. Roots Füße schleudern bei jedem Schritt den Saum seiner Kutte hoch. »Ich weiß noch mehr«, fährt er fort. »Südlich von hier hat ein Mann Diamanten zu einem Priester gebracht. Der Mann hat gesagt, er habe auf der Straße einen Reisenden überfallen und ihm ein kleines Vermögen in Diamanten abgenommen. Das Opfer sei an seinen Verletzungen gestorben. Als Buße hat der Mörder die Diamanten der Kirche gegeben.«
    »War das Opfer Filipino oder Chinese?«, fragt Goto Dengo.
    Enoch Root sieht ihn kühl an. »Ein Chinese weiß darüber Bescheid?«
    Sie spazieren weiter. Root würde mit Freuden von einem Ende von Luzon bis zum anderen gehen, wenn es denn so lange dauerte, Goto Dengo die Worte zu entlocken.
    »Ich habe außerdem Informationen aus Europa«, sagt Root. »Ich weiß, dass die Deutschen riesige Schätze versteckt haben. Es ist allgemein bekannt, dass General Yamashita noch mehr Kriegsgold in den Bergen im Norden vergräbt, während wir uns hier unterhalten.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragt Goto Dengo. Es gibt kein einleitendes Feuchtwerden der Augäpfel, sondern die Tränen schießen einfach hervor und laufen ihm übers Gesicht. »Ich bin wegen bestimmter Worte zur Kirche gekommen.«
    »Was für Worte?«
    » Dies ist Jesus Christus, der hinwegnimmt die Sünden der Welt«, sagt Goto Dengo. »Enoch Root, niemand kennt die Sünden der Welt besser als ich. Ich bin in diesen Sünden geschwommen, darin ertrunken, darin verbrannt, habe in ihnen gewühlt. Ich glich einem Menschen, der durch eine lange, mit schwarzem, kaltem Wasser gefüllte Höhle schwimmt. Im Aufblicken habe ich ein Licht über mir gesehen und bin darauf zugeschwommen. Ich wollte nur an die Oberfläche gelangen, um wieder Luft zu atmen. Ich war zwar noch in die Sünden der Welt eingetaucht, aber ich konnte wenigstens wieder atmen. So sieht es im Augenblick aus.«
    Root nickt und wartet ab.
    »Ich musste beichten. Was ich gesehen habe – was ich getan habe -, war so schrecklich. Ich musste mich läutern. Und das habe ich bei meiner ersten Beichte getan.« Goto Dengo stößt einen tiefen, zitternden Seufzer aus. »Es war eine sehr, sehr lange Beichte. Aber nun ist sie vorbei. Jesus hat meine Sünden hinweggenommen, jedenfalls hat das der Priester gesagt.«
    »Gut. Es freut mich, dass es Ihnen geholfen hat.«
    »Und jetzt wollen Sie, dass ich wieder von alledem rede?«
    »Es gibt auch noch andere«, sagt Enoch Root. Er bleibt unvermittelt stehen, dreht sich um und nickt. Auf einer kleinen Erhebung jenseits mehrerer tausend weißer Grabsteine zeichnen sich die Gestalten zweier Männer in Zivilkleidung ab. Sie sehen nach Abendländern aus, doch mehr kann Goto Dengo von hier aus nicht erkennen.
    »Wer ist das?«
    »Männer, die in der Hölle gewesen und zurückgekommen sind, genau wie Sie. Männer, die über das Gold Bescheid wissen.«
    »Was wollen sie?«
    »Das Gold ausgraben.«
    Übelkeit hüllt sich um Goto Dengo wie ein nasses Bettlaken. »Sie müssten einen Tunnel durch tausend frische Leichen bohren. Das Ganze ist ein Grab.«
    »Die ganze Welt ist ein Grab«, sagt Enoch Root. »Gräber lassen sich verlegen, Leichen wieder begraben. Anständig.«
    »Und dann? Wenn sie das Gold haben?«
    »Die Welt blutet. Sie braucht Medikamente und Verbandsmaterial. Das kostet Geld.«
    »Aber vor diesem Krieg war das ganze Gold da draußen, an der Sonne. In der Welt. Und was passiert ist, sehen Sie ja.« Goto Dengo schaudert. »In Gold gespeicherter Reichtum ist tot. Er fault und

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