Crystall (German Edition)
Wagen, gefolgt von besorgten Blicken der Fahrgäste, die wie genagelt auf ihren Bänken sitzen blieben. Niemand unternahm auch nur den Versuch, sie aufzuhalten. So sprang sie wie Lyhma zuvor über die halb mannshohe Schnapptür und aus dem Wagen. Fast peinlich musste sie sich eingestehen, dass Lyhma eleganter gewesen war. Was aus dem Wageninneren wie ein Hopser wirkte, war in Wirklichkeit ein nicht zu verachtender Absatz und für einen Ungeschickten im Unglücksfall eine gefährliche Hürde. Mandy prallte hart auf den Boden und sie verletzte sich wohl nur nicht den Knöchel, weil der weiche Rasen die meiste Wucht abfing. Dennoch blieb ihre Aktion nicht folgenlos. Um den Fuß nicht zu überlasten, ließ sich Mandy nach vorn fallen und dämpfte den Aufprall noch einmal nachhaltig mit den Händen. Ein kaum spürbarer Stich fuhr durch ihre Gelenke. Sie biss die Zähne aufeinander und blieb einen Moment auf allen Vieren stehen. Sie musste sich beinahe ein Lachen verkneifen, als sie an ihre Ungeschicktheit dachte. Eine Welt retten wollen, aber wie ein kleines Kind aus dem Wagen stürzen ...
Mandy rappelte sich umständlich in die Höhe und bemerkte, dass sie aus dem nachfolgenden Wagen beobachtet wurde. Die Insassen standen vor dem Kutschbock und blinzelten fassungslos zu ihr herab.
Mandy spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Sie grinste gepeinigt und winkte ihnen zu. „Nichts passiert.“ Dann konnte sie gar nicht schnell genug herumfahren und davon laufen.
Sie ließ an die sechs Gespanne hinter sich, ehe sie die Spitze der Karawane erreichte. Vor dem Führenden Wagen hatte sich eine Meute versammelt, allesamt mit Schwert und Bogen bewaffnet. Die Diskussion war noch immer in vollem Gange. Sie brüllten beinahe durcheinander.
Mandy schlich vorsichtig weiter. All ihre Krieger standen dort und schienen je einige Gegner in Schach zu halten. Sie redeten aufgeregt miteinander.
Ohne Furcht und gegen jede Logik und Vernunft näherte sich das Mädchen dem Haufen an schwerbewaffneten und in dicke Rüstungen gestopften Kriegern. Ihren gegenüber hatte sich ein halbes Heer versammelt, dreimal so groß wie Nawarhons Streitmacht und gekleidet in tuchähnliche Gewänder. Aber nicht minder gefährlich.
Die schwarze Armee konnte es nicht sein.
War das gut oder schlecht?
Jedenfalls standen sich beide, ungleiche Fronten gegenüber und debattierten noch immer. Niemand nahm auch nur die geringste Notiz von ihr. So drängelte sie sich ungehalten bis an die vordersten Reihen und stand ganz plötzlich neben Nawarhon und seiner Schwester, die erst jetzt mitbekamen, wer da aufgetaucht war. Der junge Prinz hielt gerade dem anderen Anführer sein Schwert an die Kehle.
Und ihn erkannte Mandy sofort. „Sator.“
Die Zeit schien für einen unwirklichen Moment zu gefrieren. Ein beängstigendes Schweigen erfüllte die Luft, die so mit Spannung geladen war, dass es einen frösteln ließ. Niemand regte sich oder gab nur einen winzigen Laut von sich. Sie alle starrten entsetzt auf Mandy, vor allem der Prinz und seine Schwester musterten das Mädchen mit größter Überraschung und gleichzeitig Besorgnis. Nawarhons Schwert lag noch immer an der Kehle des Wüstenherren und zitterte nicht einmal. Sator seinerseits war unbewaffnet und er zeigte auch nicht die mindeste Furcht vor dem Schwert, es schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Dafür standen unzählbare Krieger in seinem Rücken, bereit zum Angriff, falls es nötig war. Sator schien das Sicherheit genug zu sein. Fast gleichgültig betrachtete er das junge Mädchen, als wüsste er sie nicht so recht in das Geschehen einzuordnen.
Mandy war auch die erste, die aus der Trance erwachte. Sie fühlte sich plötzlich unbehaglich, als sie einen Blick in die versteinerten Gesichter warf.
Zur Hölle, war sie denn verrückt geworden!? Sie platzte mitten in einen Streit, in der scharf geschliffener Stahl im Spiel war.
„Mandy ... um Gottes willen, was tust du hier?“ Lyhmas Stimme überschlug sich beinahe. Sie konnte nicht fassen, was hier geschehen war.
Mit ihren Worten löste sich auch endlich die allgemeine Spannung. Aus entsetzten Blicken wurde Verwunderung und stiller Zorn.
„Bist du übergeschnappt?“, rief Nawarhon. Seine Stimme konnte verärgert klingen, aber auch nur überrascht.
„Vielleicht kann ich euch behilflich sein“, erwiderte Mandy beinahe unbeeindruckt. „Ich könnte mit Sator reden, wenn Ihr das wollt, Nawarhon, mein Prinz“, fügte sie fast spöttisch
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