Crystall (German Edition)
sich zustürmen. Der schwarze Vierbeiner dachte allerdings gar nicht daran, vor ihr abzubremsen. In einer fließenden, raschen Bewegung schwang er die Vorderpfoten hoch und gegen Mandys Brust. Die Zunge des Tieres hing hechelnd wie ein Lappen aus der Schnauze, sein Schwanz wedelte aufgeregt hin und her.
Mandy stemmte verzweifelt die Beine in den Boden, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schon der Ansturm hätte sie um ein Haar von den Füßen gerissen. Als sie ihren Schock endlich verdaut hatte, ließ sie sich in die Hocke sinken, woraufhin der Hund brav den Kopf senkte und sich in ihre Arme schmiegte. Mandy kraulte ihn liebevoll. „Du bist mir ja einer, haust mich glattweg um.“
Sich keiner Schuld bewusst hob der Hund den Kopf und legte ihn auf die Seite. Seine süßen und zugleich traurigen Augen ließen Mandy dahin schmelzen.
„Jaja, jetzt gut Wetter machen wollen“, tadelte Mandy mit einem leisen Lachen. „Du bist mir wohl von Nadju bis hierher gefolgt, um mich zu beschützen, wie?“
„Wer ist das?“, fragte Nawarhon nach einer Zeitspanne, die sein Misstrauen überflüssig machte. „Er läuft uns schon die ganze Zeit nach.“
Mandy überhörte den besorgten, leicht angsterfüllten Unterton einfach. „Ja, wer bist du?“ Mandy strich dem Hund über die Stirn und überlegte murmelnd. „Ich werde dich Jenny nennen ... ein hübscher Name, nicht wahr?“
„Ja“, stammelte der Prinz tonlos. Dann schüttelte er sich und fuhr mit fester Stimme fort: „Meinetwegen behalte ihn, es kann nicht schaden, wenn wenigstens einer auf dich aufpassen darf. Wehe, er ist nicht stubenrein.“ Damit machte Nawarhon kehrt und ging zu den Kriegern hinüber.
Mandy lächelte amüsiert, diese Seite hatte sie an Nawarhon noch nie kennen gelernt. Bisher. Sein Beschützerinstinkt war einfach köstlich. Trotzdem hatte er auch Recht, so allmählich gelangten sie in feindliches Gebiet, sie sollte vorsichtiger sein. Sehr sogar.
Damit stand sie auf und schaute Jenny noch einen Moment in die Augen. Sie war so gütig. Nur ein einziges Mal hatte sie so etwas wie Schrecken empfunden. Aber nun, nachdem sich wohl erwiesen hatte, dass Jenny sie nur beschützen wollte, war das vorbei. Sie war der treueste und liebenswerteste Hund, den sie jemals getroffen hatte. „Komm schon, kleines Mädchen, wir müssen weiter. Wenn du brav bist, überlässt dir der Prinz vielleicht sogar etwas zum Beißen.“
Jenny bellte einverstanden.
Mandy fuhr herum und wollte gehen, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass ihr Tier regungslos stehen blieb. Sie ging zu ihm zurück. „Was hast du?“ Überrascht musterte sie die Körperhaltung der jungen Hündin. Sie stand gespannt und erhobenen Hauptes da, starrte wie fixiert in den Wald zurück. Ein leises Knurren drang aus ihrer Brust.
Das Mädchen sah ebenfalls in den Wald und hörte plötzlich knackendes Geäst. Jemand kam. „Ganz ruhig, Jenny.“ Sie blickte verzweifelt in das Unterholz und lauschte den deutlicher werdenden Schritten.
Dann tauchte ein Schatten auf.
Ihr drohte jedoch keine Gefahr. Der dunkle Schemen wuchs rasch an und nahm die Gestalt einer Frau an, die gemächlich zu ihnen heraus trat und lächelte.
„Ry, du bist spät dran“, bemerkte Mandy flüchtig.
Die Frau lächelte verlegen. „Naja, ich hatte mich in der Entfernung ein wenig vertan. Und nun komm, der Prinz wollte längst aufbrechen.“ R´Ryah tat einen Schritt auf die Lichtung hinaus, blieb aber sofort stehen und spannte sich instinktiv.
Der Grund war Jenny. Sie hatte die Ohren flach angelegt und die Lefzen zurück gezogen. Sie zeigte der Frau ihre gewaltigen, fast wolfsähnlichen Zähne und stieß ein kaum hörbares Knurren aus.
R´Ryah blieb angewurzelt stehen und starrte das Tier erschrocken an.
„Jenny, lass den Quatsch“, rief Mandy.
Und tatsächlich, es funktionierte. Obwohl sie sich erst wenige Augenblicke kannten, war ihr Jenny nicht nur vertraut, sondern sie hörte auch. Zwar blieb ihr Körper in Spannung, beeindruckende Muskeln zeichneten sich unter dem samtenen, schwarzen Fell, doch sie wurde übergangslos still und schloss die Schnauze wieder.
„Vielleicht kennt sie mich nur noch nicht genug“, erklärte Ry mit einem flüchtigen Lächeln. Mandy entging jedoch nicht die leise Furcht, die in ihrer Stimme mitschwang und auch nicht, dass ihr weitergehen einer Flucht gleich kam.
Jenny verfolgte die Frau mit Blicken, bis diese in einem Wagen verschwunden war. Erst jetzt beruhigte sie sich
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