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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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Sitz fallen zu lassen. Um irgendeiner Spur zu folgen, war sie nicht mehr in der Lage. Sie erkannte auch nicht, dass die Abdrücke vor ihr im Schnee längst nicht mehr die eines Pferdes waren ...
    Mit verzweifelter Kraft krallte sich Mandy an das Zaumzeug und kämpfte in jeder Sekunde darum, nicht einzuschlafen. Sie war es längst nicht mehr, die ein Pferd ritt, das Tier folgte mittlerweile seiner eigenen Logik und trug das Mädchen einfach irgendwohin. Zwar konnte Mandy den Gedanken nicht fassen, aber im Grunde hatte sie noch Glück, das Tier würde von sich aus den besten Weg suchen, so wie ein Kamel in der Wüste immer den sicheren einschlägt.
    Das ständige Sitzen und Schaukeln des Pferdes machte Mandy immer träger und erschöpfter. Sie spürte, dass sie einschlafen würde, bald.
    Wahrscheinlich war sie das auch für kurze Zeit, denn als ihr Tier schnaubte, erschrak sie und sah auf Anhieb die veränderte Umgebung.
    Häuser.
    Eine neue Hoffnung glomm in ihr auf und gab Mandy zusätzliche Kraft. Ihre Müdigkeit war mit einem Mal erloschen und machte Aufmerksamkeit Platz. Wo Häuser waren, da mussten auch Lebewesen sein.
    Mandy schwang sich vom Sattel des Pferdes und landete bis fast zu den Knien im Schnee. Hastig blickte sie sich um. Eine ganze Siedlung an Hütten stand herum, so grau wie das der Umgebung. Allerdings wirkten die Buden klein und irgendwie verlassen. Mandy zweifelte, dort Leben anzutreffen.
    Aber es war ihre einzige Chance.
    Sie ließ das Pferd stehen – es würde warten, wie die meisten vertrauten Tiere – und ging langsam in Richtung der kleinen Stadt.
    Das hieß, gehen war vielleicht ein zu hoch gegriffenes Wort. Mandys Vorwärtskommen schien eher eine belustigende Mischung aus Vorsicht und verzweifeltem Kampf. Dabei war der Schnee längst nicht so tief, wie Mandy zuerst befürchtet hatte, er langte kaum bis zu den Waden. Allerdings handelte es sich auch nicht um weichen Pulverschnee, sondern um eine weiße, zähe Masse, die Mandys Füße an den Boden presste, als besäßen sie Hände. Für den Funken einer winzigen Sekunde keimte in ihr der absurde Gedanke auf, dass etwas in dem Schnee lebte. Aber wie gewohnt verrauchte auch diese Blitzidee, noch bevor der Gedanke Form annehmen konnte.
    So stapfte Mandy schwerfällig in Richtung der einsamen Siedlung. Sie musste ihre Beine nachziehen und hieven, als wären diese mit zentnerschwerem Blei gefüllt und mehr als nur einmal kämpfte sie verbissen um ihr Gleichgewicht. Letztlich sahen ihre Bemühungen nicht nur reichlich albern aus, sondern sie brauchte unendlich lange für die Zwei -Minuten-Distanz. Was natürlich nicht Mandys größtes Problem darstellte, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie durch ihre Artistennummer beinahe alle Vorsicht vergaß und die Gegend nicht genügend im Auge behalten konnte. Selbst ihre Gedanken flossen in eigentlich unbrauchbare Richtungen, wie zum Beispiel, dass ihre Müdigkeit wie weggeblasen schien und dass sie den Schnee hier tausendmal verfluchte ...
    Doch das sollte sich schlagartig ändern. Irgendwann überwand Mandy ihre kleine Hürde und gelangte auf die Hauptstraße, welche schnurgerade durch die gänzliche Siedlung verlief und glücklicherweise vom Schnee weitaus besser bereinigt war, als der Rest der Landschaft. Was nicht nur dazu führte, dass sie nun wieder bequem laufen konnte, sondern auch ihre Konzentration aufstockte.
    Rasch sah sich das Mädchen um. Verstecke gab es wahrscheinlich genügend, denn die kleinen, ärmlichen Bauten waren nicht nur zahlreich und unsystematisch wie in einem Dorf üblich, sondern standen obendrein eng aneinander geschmiegt und schufen genügend Schatten, dass sich ein Elefant darin hätte verbergen können.
    Auch so hatte Mandy diesmal einige Trümpfe auf ihrer Seite. Ein Blick gen Himmel gewahrte ihr, dass eine Abenddämmerung herrschte und zwar in jenem Stadium, in dem die Sicht im Grunde noch beschwerlicher war als bei völliger Dunkelheit. Dort oben kämpfte sich sogar schon der Mond durch die leicht zurückgebliebene Wolkendecke, die stellenweise den Sternenhimmel dahinter durchscheinen ließ.
    Mandy warf einen Blick die Straße entlang. Sie erkannte keinerlei Abbiegungen und Bewegungen in dem Sonnenlicht reflektierenden Hell des Mondes.
    Alles lag ruhig und verlassen vor ihr.
    Ein Grund mehr zur Sorge?
    Mandy trat entschlossen von dem Hauptweg herunter und in den schattigen Schutz des ersten Hauses. Sie warf einen flüchtigen Blick auf das Gebäude und stellte

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