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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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stirnrunzelnd fest, dass hier wirklich ärmliche Verhältnisse herrschen mussten. In Nectar hatte sie Bauten erlebt, die an Stabilität ihrer Heimatwelt nicht weit hinterher waren, aber das erschien Mandy beinahe lächerlich. Sie war weder Architekt noch ein Bauexperte, trotzdem verwunderte sie das Mauerwerk deutlich, das eine Mischung aus schmalem Holz und schlechtem Zement aufwies. Zudem konnten die Hütten nicht viel größer sein als zwei Meter, dafür aber waren sie zahlreich und glichen sich in Bauart aufs Haar.
    Mandy blickte wieder zur Straße. Noch immer war nicht das geringste Lebenszeichen auszumachen und allmählich begann sich Misstrauen in ihr einzuschleichen. Wenn das Dorf hier nicht bis auf den letzten Mann leer stand, dann konnte ihr Missgeschick von vorhin kaum unbeobachtet geblieben sein.
    Etwas stimmte nicht.
    Mandy spürte, wie ihr Atem schwerer wurde und die Hände nicht mehr so ruhig blieben, wie sie es gerne hätte. Ihr gefiel die Situation ganz und gar nicht und sie verfluchte sich zum zweiten Mal, nicht bei dem Reitertrupp geblieben zu sein. Was hatte sie sich nur eingebildet? Dass sie Nawarhon einholen würde, einen Jungen, der sich hier wenigstens zum Teil auskannte und bereits mehr Jahre auf dem Rücken eines Pferdes saß, als ihr Leben überhaupt zählte? Nein, so etwas funktionierte allerhöchstens im Film, aber niemals in der Wirklichkeit.
    So oder so, sie war jetzt hier, eine Tatsache, an der sich nicht rütteln ließ. Und wer weiß, vielleicht sollte sie den Prinzen doch noch in dieser Siedlung antreffen, immerhin war sie das bisher einzig, wenigstens teilweise sinnvolle Ziel, das Nawarhon angestrebt haben könnte. Alles zuvor stellte nur karge Landschaft dar und konnte für den jungen Prinzen kaum von Interesse sein.
    Mandy packte neuer Mut. Sie konzentrierte sich mit allen Sinnen auf die Umgebung, was sich bisher allerdings als überflüssig erwies. Nach wie vor herrschte hier drückende Stille und Einsamkeit. Dennoch zog Mandy plötzlich, aber krampfhaft langsam, um auch ja kein Geräusch von sich zu geben, ihr Schwert aus der Scheide. Sie behielt es in der linken Hand und ließ es herab hängen, irgendwie bezweifelte sie, dass sie es gebrauchen würde. Andererseits verbreitete die Waffe die besagte Sicherheit, auch wenn Mandy das immer für Blödsinn gehalten hatte. Das Schwert verströmte eine Aura ungeahnter Geborgenheit und neuer Stärke.
    Mandy lehnte sich an die Hausmauer – innerlich darauf gefasst, dass die Steinzeitkonstruktion jederzeit zusammenfallen könnte – schloss für Sekunden die Augen und dachte nach. Wie sollte sie vorgehen? Das Beste wäre, sie untersuchte alle Hütten, denn irgendetwas musste sich finden lassen, ein Dorf konnte nicht vollkommen nutzlos errichtet worden sein, selbst wenn es hier kein Leben gab.
    Plötzlich schmunzelte Mandy, obwohl ihre Situation alles andere als lustig war. Dennoch amüsierte sie ihr Vorgehen und Denken. Daheim war sie ein kleines Mädchen gewesen, das sich selbst manchmal vor den großen Jungs gefürchtet hatte und Dunkelheit wollte sie immer respektieren. Nicht, dass sie Angst vor der Finsternis hätte, aber ihr war der Sonnenschein weitaus lieber gewesen, denn da machte sich nicht so viel Fantasie im Kopf breit und aus Schatten wurden keine Dämonen. Aber was tat sie jetzt? Ein sechszähnjähriges Mädchen allein in einer fremden Welt voller Gefahren, und sie rannte herum wie eine Kriegerin der Nacht und bedachte Kriegstaktiken. Irgendwie hatte dieser Gedanke schon etwas Narrenhaftes an sich. Zuhause würde ihr das niemand glauben. Und ehrlich gesagt, wirklich glaubte sie es ja selbst nicht.
    Leicht geduckt und eng an das Mauerwerk geschmiegt schlich sie los, peinlich genau darauf bedacht, immer im Schutz der Schatten zu bleiben. Vorsichtig lugte sie um die Hausecke und untersuchte alles, was sie in ihrem Blickfeld hatte. Nichts. Die Gegend blieb, was sie bisher gewesen war: Einsam.
    Mandy huschte um die Ecke und gab sich alle Mühe, nicht mit schweren Schritten zu laufen. Sie verhielt sich beinahe lautlos. Im Gegensatz zu vorhin musste der Schnee hier locker und weich sein und ihr Auftreten erheblich dämpfen. Sie hörte ihre eigenen Schritte selbst kaum.
    Fast auf Zehenspitzen arbeitete sie sich bis an die hölzerne Tür vor, blieb nun allerdings stehen und presste sich mit angehaltenem Atem an die Wand, in dem Verdacht, jemand könne doch noch aus dem Haus kommen. Allerdings bezweifelte Mandy, dass sie dieser Jemand

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