Crystall (German Edition)
In den paar Minuten war das Duell heftig verlaufen, um nicht zu sagen, fast beeindruckend. Immerzu flogen die Klingen aufeinander zu, Schmerzensschreie und Stöhnen erscholl und weiterhin wirbelten die beiden durch die Siedlung, als hätten sie unbegrenzt Ausdauer. Gerade bekämpften sie sich vor einer Hütte, stolperten gemeinsam hinein. Mandy konnte ein Poltern und Scherbeln hören, dann tänzelten sie wieder heraus, wobei noch immer die Schwerter aufeinander schlugen. Hieb um Hieb wurde versetzt.
Aber Nawarhon würde trotzdem verlieren. Mandy hatte genügend über die Kampfeskunst gelernt, um zu erkennen, dass die Bewegungen des Prinzen eine Winzigkeit lahmer waren als die seines Gegners. Über kurz oder lang würde Nawarhon die Kraft verlassen und zwar noch vor seinem Vater. Und dann konnte er nur noch unterliegen.
Mandy vergeudete keine weitere Zeit. In weitem Bogen um die beiden schlich sie zu der Hütte, die ihnen am nächsten war. Dieser Teil der Hürde stellte kein Problem dar, denn der Schnee fiel so dicht, dass sich alle Sicht auf weit weniger als zwei Meter beschränkte.
Mandy kämpfte sich tapfer vorwärts, sie brauchte keinen Schwertkampf, um Energie zu lassen. Der Schnee war mittlerweile so hoch, dass sie stapfen musste, aus Flocken wurden allmählich Eissplitter, die wie Nadeln in ihre Haut stachen und sämtliche Kleidung war klamm von der Kälte und Nässe. Sie konnte sich nur noch mit Mühe bewegen.
Sie erreichte das Haus dennoch und war hier wenigstens vor dem gröbsten Wind geschützt. Geduckt und in die Schatten verkrochen schlich sie um die Hütte herum, bis sie um die nächste Ecke den Rücken des Satyrs sehen konnte. Er kämpfte keine drei Meter von ihr entfernt und bewegte sich langsam, aber stetig rückwärts.
Das war ihre Chance. Mandy ging gänzlich in die Hocke und ergriff ihr Schwert fest mit beiden Händen. Nun musste sie geduldig abwarten.
Dabei erwies sich des Königs jetzige Taktik als vorteilhaft. Er kämpfte nicht mehr offensiv mit seinem Sohn, denn er konnte sehr wohl erkennen, dass dieser merklich schwächer wurde, seine Hiebe immer ungezielter und kraftloser. Er hätte leicht den Sieg erringen können, aber wahrscheinlich war auch seine eigene Ausdauer begrenzt und die Rüstung musste ihn zusätzlich behindern. Deshalb tat er das einzig schlaue, wie Mandy verbittert eingestehen musste. Der schwarze Krieger ließ die harten Angriffe seines Sohnes über sich ergehen und begnügte sich damit, auszuweichen oder zu parieren. Damit würde er weniger Kraft verbrauchen und musste im Grunde nichts weiter tun, als abzuwarten, bis sein Sohn erschöpft zusammenbrach.
Aber in seiner Taktik bewegte er sich auch rückwärts.
Schweißgebadet wartete Mandy ab. Wenn sie in Nawarhons ausgelaugtes Gesicht blickte, dann wäre sie am liebsten hinter ihrer Deckung hervor gesprungen. Sie schaffte es, sich zu beherrschen.
Es wurde mehr als knapp. Als der Satyr unmittelbar vor Mandys Nase auftauchte, konnte sich Nawarhon bereits kaum mehr auf den Beinen halten. Der König holte zu einem letzten, wuchtigen Hieb aus. Er brüllte dabei.
Mandy schlug die Schwertklinge mit aller Macht in die Kniekehlen des Königs. Seine schwarze Rüstung war wirklich purer Stahl und beinahe wäre ihr die Waffe aus den Händen geprellte worden. Ein stechender Schmerz explodierte von den Handgelenken bis hinauf in die Schulter. Mandy keuchte und schaffte es gerade noch, in den Schatten zurückzukugeln.
Niemand bemerkte etwas und die Panzerung nahm ohnehin die größte Wirkung. Trotzdem brachte Mandys Aktion den König aus dem Tritt und sein Bihänder fraß sich nicht tödlich in Nawarhons Brust, sondern nur in den Oberarm. Der Satyr schrie überrascht auf.
Nawarhon nutzte die Chance, es würde seine letzte sein. Er rang den Schmerz im Arm nieder, wechselte das Schwert in die Linke des unverletzten Armes und stieß die Klinge mit einem Schrei in die Kehle des Königs, die einzig wirklich nackte Stelle in dem Panzeranzug.
Mandy schluckte bittere Galle, als sie das Ende beobachtete. Der Satyr röchelte, schaumiges Blut trat aus seinem Mund und die Lippen formten den Ansatz eines letzten Wortes, bevor sie sich schlossen.
Nawarhon kippte Arm in Arm mit seinem Vater zu Boden. Kleider und Rüstung waren besudelt mit Schnee und Blut, zerbeult und zerfetzt.
Während der König reglos liegen blieb, fingerte Nawarhon mit letzter Kraft irgendwo unterhalb der Rüstung umher, zog schließlich einen winzigen Lederbeutel hervor
Weitere Kostenlose Bücher