Crystall (German Edition)
Satyr hob nun auch seine Waffe in Position, verströmte aber immer noch eine absurde Gelassenheit.
Mandy blieb nichts anderes übrig, als dem Streit zuzusehen und sich gleichzeitig verborgen zu halten. Sie verspürte wieder diese leise aufkeimende Panik und Unsicherheit, obwohl sie jetzt gute zwanzig Schritt vom Geschehen entfernt war und noch dazu in einem immer dichter werdenden Schneeschleier.
Der junge Prinz griff zuerst an. Er schwang sein Schwert wie eine gewaltige Axt und drosch mit wutentbrannter Kraft auf den Satyr ein. Diese erste Attacke stellte einen mörderischen Hieb dar, in dem alle Aggressionen Nawarhons lagen, und hätte er getroffen, wäre vermutlich auch von dem stählernen Anzug des Königs nur ein Trümmerhaufen übrig geblieben. Aber dem Angriff fehlte jede Schnelligkeit und Technik und so war es kaum verwunderlich, dass sein Vater dem Hieb zwar entsetzt, jedoch leicht auswich. Er trat nur einen halben Schritt beiseite und stöhnte kurz vor Überraschung auf. Ernsthaft gefährlich konnte der Prinz ihm aber nicht werden, ganz im Gegenteil.
Nawarhon schien zu begreifen, welchen Fehler er beging, noch bevor seine Klinge die Bewegung wirklich zu Ende geführt hatte. Er bemühte sich, das Beste daraus zu machen, ganz gelang es ihm nicht. Das Schwert pfiff mit einem mörderischen Schlag an dem Blechhelm seines Gegners vorbei, Nawarhon selbst spürte den Windzug dabei. Doch in seiner blinden Rage blieb der Hieb nichts als ein Intermezzo. Der Prinz stolperte an seinem Vater vorbei und ins Leere, nach vorn gerissen von dem eigenen Schwung seiner Waffe. Hastig stemmte er sich gegen den Lauf und riss das Schwert mit aller Kraft zurück. Irgendwie brachte er sogar das Kunststück fertig, nicht zu fallen, aber ein klägliches Schwanken konnte auch er nicht mehr verhindern. Als er zu dem König herumfuhr, kämpfte er Sekunden um seine Balance – Sekunden, in denen er wehrlos war.
Der König hatte niemals vorgehabt, mit Gnade zu fechten, ebenso nicht bei seinem Sohn. Spielerisch langsam und mit einem spöttischen Funkeln in den Augen empfing er den Sturz seines Sprösslings. In einer demütigend gelassenen Bewegung hob er seinen Bihänder in die Höhe und stach wie mit einem Degen zu, eine Taktik, die normalerweise sein Leben gekostet hätte, wäre Nawarhon nicht mit seinem Gleichgewicht beschäftigt. Mit einer einfachen, leichten Fechtwaffe mochte das funktionieren, nicht aber mit einem Schwert dieses Kalibers. Der Bihänder des Königs war doppelt so gewaltig wie Nawarhons schon elegantes Schwert und besaß ein Gewicht, welches jeder nur halbstarke Mann höchstens mit beiden Händen ausbalancieren konnte. Der Satyr führte es mit nur einem Arm und bewies Mandy und auch dem Prinzen, welch ungeheure, körperliche Kräfte in dem schwarzen Krieger stecken mussten. Andernfalls hätte sich dieser selbst bei einem solchen Stich die Schulter ausgekugelt. Der König aber verspürte entweder keinen Schmerz, oder lachte nur müde über das Gewicht dieses Schwertes, das ein Mädchen wie Mandy vermutlich noch nicht einmal angehoben hätte.
Mit diesen Voraussetzungen erwies sich die Taktik des Königs nicht einmal als sehr dumm. Hätte sein Junge festen Stand gehabt, dann könnte ihn dieser mit Leichtigkeit entwaffnen, selbst Mandy hätte das vermocht. Andererseits war der Stich eine Taktik, die Nawarhon auch im Falle eines Treffers nicht gleich töten würde, aber dem König dennoch Vorteile verschaffte.
Seine Rechnung ging auch auf. Der Prinz schaffte es zwar um Millimeter, der bohrenden Klinge auszuweichen, geriet dabei aber noch deutlicher ins Stolpern und verlor entgültig die Orientierung. Er wankte drei Schritte zurück und zur Seite und fiel schließlich doch auf den Rücken.
Das Lachen des Königs erklang durch das Helmvisier metallisch und umso spöttischer. Er wollte seinen Sohn regelrecht demütigen, denn er setzte ihm nicht nach und machte den Garaus, sondern stand nur da und sah lachend auf Nawarhon herab.
Der Prinz wusste um die Bedeutung dieser Geste, aber er beging nicht ein zweites Mal den Fehler, seinem Zorn nachzugeben. Im Gegenteil, einem körperlich überlegenen Gegner konnte er nur mit Technik begegnen.
Was sollte er tun?
Mandys Gesicht verzerrte sich zu einer Maske, als sie angespannt dem Duell folgte. Sie verspürte beißende Wut auf den König und gleichzeitig Mitgefühl für den Prinzen. Wie es aussah, hatte der keine sonderlich guten Karten und Mandy überlegte verzweifelt, was sie
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