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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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und ließ ihn kraftlos in den Schnee fallen. Der Prinz wälzte sich stöhnend von der Leiche und blieb schwer atmend auf dem Rücken liegen.
    Mandy kroch hinter der Deckung hervor. Mit schwachen Bewegungen steckte sie ihr Schwert weg und näherte sich den Kampfopfern. Schnaufend ertastete sie den Puls des Königs, aber er blieb, was er war: tot! Sie konnte nicht behaupten, dass sie Mitleid für ihn empfand.
    „Va ... ter“, keuchte Nawarhon mit geschlossenen Augen.
    „Du hast gewonnen“, sagte Mandy tonlos, griff nach dem Bündel im Schnee und stellte mit einem flüchtigen Blick fest, dass der vierte Kristall in ihrer Sammlung darin lag. Sie verschnürte den Lederbeutel gut und verstaute ihn in der Kleidung.
    „Wir ... müssen ... die anderen...“
    „Ich helfe dir.“ Mandy stieg über die Leiche hinweg und kauerte vor Nawarhon nieder. Sie untersuchte ihn zunächst mit besorgten Blicken.
    Unter normalen Umständen wäre seine Wunde harmlos gewesen, aber das waren sie nun einmal nicht. Nawarhons Körper hatte viele Strapazen erfahren, auf der Reise von Nectar, in diesem Schneesturm und gottverdammten, im Grunde sinnlosen Kampf. Der Prinz war geschwächt und ohnehin einer Besinnungslosigkeit nahe, hinzu kam die eisige Kälte, die den Blutfluss verschlechterte und Wunden sichtbar langsamer heilte, schlimmstenfalls monatelang. All diese Umstände machten die Stichwunde unter seiner rechten Schulter zu einer Gefahr, dass Blut quoll ununterbrochen hervor und der Oberarm begann bereits blau anzulaufen. Ein schlechtes Zeichen, Nawarhon hätte allein keine Chance gehabt.
    Mandy riss die Kleidung, die an der Wunde ohnehin zerfetzt war, gänzlich auseinander und legte sie völlig frei. Mit Schrecken sah sie, wie das Blut unentwegt pulsierte und aus dem Körper sprudelte. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass Nawarhon nicht längst das Bewusstsein verloren hatte. Er wand sich noch immer leicht im Schnee, hielt die Augen fest verschlossen und stöhnte ein paar unverständliche Laute zusammen.
    „Wir werden es schaffen“, raunte ihm Mandy zu, legte eine Hand flach über seine Stirn, um erstens seine Temperatur zu messen und ihm andererseits ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln. Es schien zu wirken, der junge Prinz wurde ruhiger und sein Atem gleichmäßiger. Aber dafür würde ihn irgendwann ein Fieber ereilen, sollte er die nächsten Minuten lebend überstehen.
    Mit flinken Fingern fetzte sie Stoffbänder aus ihrer eigenen Kleidung, säuberte damit die Stichwunde und verband sie fest, sodass er wenigstens kein Blut in dem Maße mehr verlor, um lebensgefährlich zu werden. „Komm, mein Prinz, wir werden doch jetzt nicht schlapp machen.“ Sie griff unter seinen unverletzten Arm und zog ihn in die Höhe. Dabei schien Nawarhon zumindest teilweise zu erwachen. Schwach blinzelte er durch halb verschlossene Lider und bemühte sich sogar, selbst zu laufen. Natürlich reichte das nicht aus und Mandy legte seinen Arm um ihre Schulter.
    Die nächsten Sekunden, Minuten, vielleicht auch Stunden – Mandy hatte keinen Sinn mehr für die Zeit – vergingen in Höllenqualen. Wenn sie bisher gedacht hatte, dem Tod Auge in Auge gegenübergestanden zu haben oder wirklich am Ende ihrer Kräfte gewesen zu sein, dann wurde sie nun eines Besseren belehrt. Sie fand sich in einer Lage, die mit Worten niemals ausdrücken könnte, wie nahe sie dem Tod waren. Zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben verstand sie die wahre Bedeutung des Ausdruckes: Auf schmalem Grat zwischen Tod und Leben. Niemand, der jemals in einer solchen Situation gewesen war, konnte sagen, wie schmal diese Kante war. Millimeter trennten vor falschen Schritten und einem Absturz in eine der beiden Richtungen der Kante. Sie wusste nicht, welche es sein würde, obwohl ihre Gedanken ununterbrochen flüsterten, dass sie sterben würde oder gar musste. Kein sterbliches Wesen hatte in dieser Eisöde eine Chance auf Überleben, nicht allein.
    Mandy stützte den Freund auf jedem Schritt ihres Weges und sie spürte, dass Nawarhon selbst in seiner Lage das möglichste tat, um es ihr leichter zu machen. Es war fast absurd, aber er musste fühlen, wie sehr Mandy am Ende ihrer Kräfte war und dennoch ihre einzige Hoffnung. Wenn sie zusammenbrach, sollte das ihr beider Tod bedeuten.
    Alle Sinne schienen wie blockiert und Mandy fand keinerlei Orientierung. Das einzige, was wie ein Überlebensinstinkt in ihrem Schädel hämmerte, war, weiterzugehen und nicht stehen bleiben. Immer

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