Crystall (German Edition)
Gefangene.
„Und ... du sollst in einer Stunde hinunter auf den Burghof kommen. Dort wird Nawarhon auf dich warten. Wir machen einen kleinen Ausflug. Er meinte, du solltest noch einiges kennen lernen und er wollte auch dich einiges fragen.“
„Wo soll´s denn hingehen?“
Maxot zuckte mit den kleinen Schultern. „Hat er nicht gesagt. Ich werde mitfahren, außerdem Nawarhons Schwester und drei Echsenmänner.“ Etwas muffig fügte er hinzu. „Ach ja, auch der Troll Ferax.“
„Ist er dein Bruder?“
„Alle Trolle sind Brüder“, antwortete Maxot einfach. „Er ist etwas verrückt, musst du wissen. Er ist sehr schwer zu verstehen, weil er ständig mit irgendwelchen seltsamen Fachbegriffen um sich schmeißt.“
„Aha.“
Der Troll erhob sich wieder. „Na dann, bis in einer Stunde, Mandy.“ Er huschte auf leisen Sohlen zur Tür und verschwand, als hätte er es eilig.
Mandy schüttelte lächelnd den Kopf. Irgendwie waren diese ganzen Gestalten ja verrückt, aber auch liebenswürdig und lustig. Sie war sicher, sie würde sie alle noch mögen können.
In aller Ruhe entledigte sie sich ihrer eigenen Kleidung, hüpfte halb nackt durch das Zimmer – wobei ihr Blick nervös zur Tür glitt – und zog die Gewänder an, die man ihr gebracht hatte. Es waren Traditionen aus diesem Land und passten vorzüglich. Mandy stellte sich erst gar nicht die Frage, wie das möglich war. Hastig streifte sie sich die Lederklamotten über, schnürte den winzigen Harnisch zusammen und betrachtete ahnungslos den Gürtel mit der Scheide. Ob da ein Schwert hinein gehörte?
Sie lief zum Spiegel und betrachtete sich ausgiebig. Der braungrüne Anzug saß hervorragend und stand ihrer für das junge Alter anspruchsvollen Figur in nichts nach, ebenso Gesicht und Haare. Deshalb lächelte Mandy zufrieden, wusch sich in einem Trog mit Wasser und setzte sich an den Tisch, um die restliche Zeit abzuwarten. Zum ersten Mal dachte sie darüber nach, warum die hier eigentlich in Stunden sprachen. Keiner dieser Gestalten besaß eine Uhr, geschweige denn sie selbst. Irgendwie musste sie sich wohl wie alle anderen auf ihr Gefühl verlassen und so stand sie unbegründet auf und verließ ihr Zimmer.
Diesmal wurde es nicht so einfach, denn keine Wache führte sie durch die Festung. Wahrscheinlich hatte das der König angeordnet, damit sie sich hier irgendwann auskannte.
Sie zweifelte schon nach wenigen Sekunden daran. Schweißgebadet stürzte Mandy durch sämtliche Gänge, ohne zu wissen, wohin sie eigentlich ging. Sie hatte das Gefühl, sich bereits mindestens zehn Mal verlaufen zu haben.
Nach etlichem hin und her fand Mandy zumindest schon mal die Steiltreppe wieder. Sie atmete erleichtert auf und fuhr sich über die Stirn. Dann wagte sie einen Blick in die Tiefe.
Was sie besser nicht getan hätte. Es ging etliche Meter hinab und ihr schwindelte bereits etwas. Hastig nahm sie den Kopf zurück und setzte zimperlich einen Fuß die erste Stufe hinab, wobei sie die Augen schloss. Als sie anschließend merkte, dass sie noch am Leben war, lächelte sie zufrieden und ging weiter.
Der Abstieg dieser Steiltreppe wurde zu einer mörderischen Tortour. Sie bekam es mehrere Male mit der Angst zu tun, sie könne abstürzen, erreichte das Ende aber unbehelligt. Sie holte Luft und beruhigte ihren Herzschlag wieder. Sie fragte sich, wie jemand nur auf solch eine bescheuerte Idee kam, eine Wendeltreppe zu bauen, auf der jeder Zweite abstürzen und sterben könnte.
Mandy blies laut den Atem aus und verdrängte die Erinnerungen an den halsbrecherischen Abstieg. Nun fand sie um einiges schneller aus der Burg und war mit wenigen Schritten auf dem Vorhof.
Ein oben offener Wagen stand bereit, angespannt an zwei Einhörner, die nervös schnaubten. Ebenso ungeduldig zappelten die sechs Insassen, der Prinz wartete vor der Holzkarre auf sie. „Wo warst du?“
Mandy lächelte verlegen. „Die Festung ist eine Falle, ich hatte etwas zu tun.“
Nawarhon runzelte nur die Stirn, holte seinerseits ein zweites Schwert hervor, das um einiges kleiner war als sein eigenes. „Hier ... vielleicht brauchst du es.“
Mandy fing erschrocken die Waffe mit beiden Händen auf und bemühte sich mit aller Macht, dass Gleichgewicht zu halten. Das Schwert sollte klein sein? Es war halb so groß wie Mandy selbst und außerdem irre schwer, wie sollte sie sich damit verteidigen können?
Mühsam stocherte Mandy damit herum, bevor das Schwert endlich in die Scheide rutschte und sie um
Weitere Kostenlose Bücher