Crystall (German Edition)
benötigte fast fünf Minuten, um die Berglichtung – eigentlich konnte man noch nicht von einer solchen sprechen, aber ihr fiel keine bessere Beschreibung ein – auf der anderen Seite zu verlassen. Abrupt stand sie wieder zwischen gigantischen, senkrecht in die Höhe schiessenden Kristallmauern, allerdings weit auseinander stehend, sodass keine Echos erschallten, zumindest nicht aufgrund ihrer sanften Schritte.
Mandy huschte rasch zum jenseitigen Ende des Hohlweges und spähte vorsichtig um die Biegung. Noch immer war nichts zu sehen.
Auf diese Art und Weise kämpfte sich Mandy schweißgebadet voran, ließ Gang für Gang hinter sich und tat alles, um die Gegend zu sichern. Das Grollen war ein drittes Mal erklungen und zeugte von der unmittelbaren Nähe der Kreatur. Sie konnte um jede Ecke lauern.
Mandy wurde zusehends nervöser und sie fragte sich ernsthaft, was sie hier eigentlich tat. Sie lief der Bestie in die Fänge, nicht mehr und nicht weniger. Wenn sie auf das Ungetüm tatsächlich traf, wäre sie so planlos wie zuvor.
Aber für Beteuerungen war es weiß Gott zu spät.
Mandy langte in einem Bereich des Berglabyrinthes an, wo das Sonnenlicht intensiver wurde. Es war längst nicht taghell, aber die angrenzenden Kristallwände waren hier niedriger und noch ein gutes Stück weiter auseinander stehend. Mandys Gefühl, eine Gefangene zu sein, sank damit auch.
Und abermals machte ihr Herz einen gewaltigen Satz. Ehrlich gesagt, es grenzte an ein Wunder, dass sie nicht bereits an Herzversagen umgekommen war. Zumindest hätte die Gabelung vor ihr durchaus dafür sorgen können.
Sie packte ihr Schwert noch kräftiger, bis die Knöchel ihrer Hände weiß hervor stachen und blickte abwechselnd in einen der drei Hohlwege. Sie glichen sich aufs Haar, führten nur in unterschiedliche Richtungen.
Aber das war nicht ihr Problem.
Es kam.
Mandy blinzelte nervös, als sie die stampfenden Schritte vernahm. Angespannt musterte sie alle Gänge, möglichst auf einmal. Irgendwo würde die Kreatur auftauchen, dessen war sich Mandy absolut sicher. Die Frage war lediglich, aus welchem.
Die Schritte wurden deutlicher. Bleistanzen hämmerten auf den Boden und ließen ihn in hundert Meter Umkreis erbeben. Dazu erklang ein Schaben und Kratzen, als ob die Kreatur gerade so durch den Gang passte und zusätzlich die Kristallwände streifte. Trümmer regneten nieder, als bestünde das Gebirge aus nichts als porösem Kalkstein.
Mandy musste abwarten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, versehentlich in den Gang zu flüchten, in dem das Ungeheuer auftauchte. Sekunden wurden zur Ewigkeit, sie schluckte, als klemmten dicke Brocken in ihrem Hals. Aber sie war auf dem Sprung. Wenn das Monster sie entdeckte, wäre alles zu spät.
Beinahe hätte Mandy den rechten Augenblick noch verpasst. Am Ende des mittleren Hohlweges tauchte die Bestie auf. Sie erkannte die eisfarbenen, krallenbewehrten Arme, die wie Tentakel auf und nieder peitschten. Noch ein Schritt und der Blickkontakt ...
Aber soweit ließ es Mandy nicht kommen. Am Ende war sie selbst überrascht, wie schnell sie aus dem Stand absprang und in den rechten Gang hechtete, um weiterhin verborgen zu bleiben. Ihr Atem ging nur noch gehetzt, trotzdem sah sie sich um. Einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, weiter zu laufen, verwarf ihn jedoch rasch wieder. Erstens ging sie das Risiko ein, entdeckt zu werden, sollte die Bestie schneller sein als sie ... zweitens hatte sie sich vorgenommen, nicht zu flüchten.
So presste sich Mandy stattdessen an die Wand, unmittelbar nach der VierWegeGabelung und hoffte ganz einfach, dass sie winzig genug war, um nicht entdeckt zu werden. Wenn alles glatt lief, würde sie ihn im Rücken verfolgen und auf eine Gelegenheit warten, ihn zu übertölpeln. Wie genau das aussah, würde sie später überlegen.
Zunächst lehnte sie an der Wand, die Waffe vorsichtshalber vor dem Körper haltend und wartete ab.
Die bebenserregenden, pressestampfenden Schritte kamen näher. Hier und da schleifte der Titanenleib die Wände und brachte sie wie schlechten Putz zum Zerbröckeln. Unaufhaltsam donnerte er den Hohlweg entlang, kam dem Mädchen näher und näher.
Mandy hielt sogar die Luft an, als sie spürte, dass ihr Feind so gut wie da war. Sie hörte seinen Atem, sein zorniges Schnauben, seinen wild umherpeitschenden Schwanz.
Dann tauchte er in der Gabelung auf und blieb stehen.
Mandy konnte nicht beschreiben, was sie in diesem Augenblick fühlte, wohl
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