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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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sonst würde es allen so ergehen.
    Wahrscheinlich wäre Mandy noch tiefer in den Sog von Mitleid und Trauer und Widerwärtigkeit geraten, hätte sie nicht ein neues Geräusch vernommen. Es war leise und ein gutes Stück entfernt, jedoch unüberhörbar.
    Ein finsteres, markerschütterndes Grollen.
    Das Grollen der Bestie!
    Mandy erstarrte zur Salzsäule, spürte die Lähmung von Körper und Geist, ohne in den natürlichen Vorgang eingreifen zu können. Wie eine Flutwelle breitete sich das taube Gefühl aus. Erst versteinerte es die Beine, dann kroch es spinnenartig den Körper hinauf, bis es schließlich das Gehirn lahm legte. Ihr Körper war motorisch abgeschalten, ein Ereignis, das Mandy niemals wirklich hatte nachvollziehen können und keiner, der diese Situation jemals durchleben musste, würde es verstehen. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte Mandy auch zu jenen, die glaubten, dass kein Vorfall entsetzlich genug sein könnte, um einen komplett zu versteinern.
    Sie musste ihre Panik mit aller Kraft verdrängen. Was sie fühlte, hatte sie noch nie erlebt und war ihr unbegreiflich. Natürlich war sie vor Schreck schon manches Mal für Sekunden weggetreten. Aber das hier war anders. Sie übertrieb nicht, wenn sie behauptete, eine lebende Statue geworden zu sein. Ihre Essenz war eingefroren, das Schwert hing bewegungslos in der Luft und sie wusste nicht, ob überhaupt der Atem noch funktionierte.
    Es war beinahe lächerlich. Vor einigen Augenblicken, im Angesicht der toten Opfer, hatte sie Blutrache geschworen, die totale Vernichtung der Bestie, was auch geschehen mochte. Nun genügte ein Brüllen des Feindes, um sie in Totenstarre zu versetzen.
    Wäre sie dazu in der Lage gewesen, hätte sie jetzt laut aufgelacht.
    Irgendwann löste sich die Spannung. Mandy konnte nicht sagen, wie viel Zeit verstrichen war und was sie tat, um die Lähmung zu besiegen. Es geschah einfach, kaum merklich. Sie hatte keine Worte für dieses Gespür, aber es war wie ein allumfassender Krampf, der sich gemächlich wieder löste.
    Mandy hörte sich wieder atmen, fühlte den Puls, der in wilder Panik auf und ab raste und sah, wie ihr Schwert in den Händen zu zittern begann.
    Das hasserfüllte Brüllen wiederholte sich, bahnte sich einen Weg durch die Engpässe und schallte nahezu durch das ganze Gebirge. Die Echos trugen es mit sich, diesen Laut voll abgrundtiefer Bosheit. Wenn Mandy jemals an Geräuschen eines Wesens erkennen konnte, welchen Charakter es ausmachte, dann bei diesem.
    Aber der Wutschrei der Kreatur trug nicht nur Finsternis mit sich, sondern befreite Mandy entgültig aus der Erstarrung. Sie konnte sich wieder bewegen, Gedanken kehrten zurück und suchten ihre logischen Bahnen.
    Ganz ruhig Mandy, Panik wäre dein Ende. Sie schloss Sekunden die Augen, holte tief Luft und versuchte sich zu entspannen. Es gelang ihr nicht völlig, doch zumindest war sie wieder bei Bewusstsein.
    Also, was tun?
    Mandy schluckte, fühlte, wie ihr Adamsapfel auf und ab hüpfte und spannte die Faust mit aller Gewalt um den Schwertgriff. Dabei ging sie in gewisse Kampfstellung, obwohl sie wusste, dass ihr noch keine direkte Gefahr drohte. Das Monster musste noch ein gutes Stück entfernt sein.
    Weglaufen und folgen?
    Mandy bis hart die Zähne zusammen. Alleine hatte sie wahrscheinlich keine Chance, aber selbst, wenn sie nun davon rannte, würde der Dämon ihre Spur leicht finden. Glaube an die Kraft in dir, Mandy.
    „Also schön, ich werde jetzt ein mutiges Mädchen sein. Wenn ich dem Schrecken kein Ende bereite, wird sich nie etwas ändern.“ Sie wusste, dass Selbstgespräche albern waren, aber es gab ihr das Gefühl, nicht alleine zu sein.
    Und sie lief los, in jene Richtung, aus der die Geräusche erklungen waren. Dabei ließ sie die Klinge zu Boden sinken und hielt das Schwert mit beiden Händen fest umklammert, um keine unnötige Energie zu vergeuden. In diesem Kampf zählte jeder noch so kleine Funke von Hoffnung und Kraft. Sonst wäre sie verloren.
    Mandy tastete sich sehr langsam vorwärts, so, als ob sie hinter jeder Biegung eine Gefahr erwartete. Ihre Konzentration lief dennoch nur auf halbem Niveau, immer häufiger lenkte sie die Furcht ab.
    Ein kleines, dummes Mädchen gegen eine haushohe Bestie – wie lächerlich!
    Mandy schwebte nahezu über den eisverkrusteten Boden und gab kaum Geräusche von sich. Wenn doch, dann waren sie so leise, dass sie das Riesenmonster unmöglich hören konnte. Sie musste den Überraschungseffekt ausnutzen.
    Sie

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