Crystall (German Edition)
komplizierter. Mandy kam sich vor wie auf einem kleinen Fischerboot, welches sich durch turbulente Weltmeere kämpfte. Sie taumelte von links nach rechts, prallte meist unsanft gegen die Wände der Hohlwege und kämpfte verbissen um ihr Gleichgewicht. Es grenzte an ein Wunder, dass sie nicht längst gestürzt war oder obendrein von der Bestie entdeckt.
Die Orientierung wurde schlechter, doch Mandy setzte sich stur durch, Schritt für Schritt. Die Kristalltrümmer, die von den Steilwänden herab regneten, kümmerten sie gar nicht. Sie hatte nur noch das fremde Wesen vor Augen.
Irgendetwas musste es dennoch vorwärts treiben. Die Schritte wurden gewaltiger und unaufhörlich schneller. Mandy fluchte innerlich und versuchte nun, hinterher zu sprinten. Sie schaffte es nicht ganz, das Beben war einfach zu stark. Sie vergeudete kostbare Zeit, in dem sie zickzackförmig umher flog. Außerdem ließ auch ihre Ausdauer allmählich nach. Schon bei der vierten Biegung erfasste sie lediglich den peitschenden Schwanz der Kreatur.
Im fünften Gang war es aus. Mandy blieb atemringend stehen und legte die Hände stützend auf die Oberschenkel. Für Sekunden bewegten sich schwarze Schleier vor ihren Augen, ihre Halsschlagader pochte aufgebracht.
Das Monster war verschwunden.
Mandy richtete sich wieder gänzlich auf und versuchte, die Gedanken zu ordnen, immerhin war mit dem Feind auch das Beben aus Auge und Sinn.
Trotzdem verstand sie das nicht so recht.
Mandy verschnaufte und starrte gleichzeitig den Hohlweg entlang. Er war so gewaltig, dass sein jenseitiges Ende gar nicht zu sehen war. Der Bestie war es dennoch gelungen, sie abzulenken.
Da stimmte doch etwas nicht!
Kein Wesen mit Instinkt lief grundlos so schnell davon. War sie der Grund? Nein, das konnte unmöglich wahr sein. Es hätte sich lediglich umdrehen müssen und eine flüchtige Bewegung mit einer der Pranken machen.
Was dann?
Mandy blinzelte verunsichert, lauschte in die Gegend und krallte sich an den Schwertgriff. Ihr Bauchgefühl sagte, dass etwas nicht in Ordnung war.
Die Stille trieb sie in den Wahnsinn. Von allen Seiten her drang Ruhe, die Bestie musste vom Erdboden verschluckt worden sein.
Binnen einiger Minuten kehrten Geräusche zurück. Seltsame. Es waren keine zermalmenden Schritte eines Giganten, kein Brüllen, keine Laute von gewaltigen Schwingen oder sonstiges.
Donner.
Ja, das war es, was ihr als erstes einfiel. Ein eigenartiges Donnern erscholl, so, als ob eine mörderische Lawine einen Hang herab raste. Oder der Boden aufriss.
Und jenes Donnern war ihr sehr nahe!
Mandy wollte schreien, doch ihr entrann nur ein Glucksen. Entsetzt starrte sie nach rechts, auf den Kristallberg an ihrer Seite. Er zitterte.
„Oh nein“, hauchte Mandy, hechtete in den Schlagschatten der anderen Wand und schlug die Arme über dem Kopf zusammen. Ihre Erkenntnis kam viel zu spät.
Wie aus einer inneren Explosion heraus zersprang der gut zwanzig Meter hohe Kristallberg. Trümmer und Splitter hagelten wie tödliche Meteoriten zur Erde nieder. Die Welt schien zu Beben, in einem tosenden Lärm und dem Grollen der heiligen Kreatur.
Mandy war sich mittlerweile ziemlich sicher, eine Art Schutzengel zu besitzen, denn sie lag keine fünf Meter entfernt, über und neben ihr prallten gefährliche Kristallbrocken nieder, die Luft war zu einem weißen Schleier geworden.
Und Mandy blieb verschont.
Erst, als der Lärm endete, wagte Mandy, die Arme herunter zu nehmen. Starr vor Schreck blickte sie an die Stelle, wo vor Augenblicken ein gewaltiger Berg gethront hatte und nun ein Ungeheuer stand, inmitten des Trümmerhaufens.
Hastig sprang Mandy auf und hob die Klinge vor den Körper. Nervös sah sie zu der Bestie auf, die momentan reglos dastand und auf das winzige Opfer hinab blickte.
Sie musste das Mädchen erkannt haben. Das ganze Spiel hatte sie nur wegen ihr veranstaltet? Hielt sie das Menschenkind etwa für gefährlich?
Aber für solcherlei Gedanken war keine Zeit. Mandy trat von einem Fuß auf den anderen und wartete im Grunde nur darauf, dass irgendetwas geschah.
Die Bestie rührte sich nicht. Die Mundwinkel zuckten, der Schwanz wedelte sanft hin und her und ließ beinahe darauf deuten, als habe sie sich beruhigt. Wären da nicht diese Augen gewesen, diese glühenden Punkte inmitten eines kristallenen Schädels, wie Tore in eine finstere Welt, so voller Hass und Grausamkeit. Und sie blickten Mandy an.
Das Mädchen hielt den Atem an, die Waffe in ihren Händen
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