Cthulhu-Geistergeschichten
außerordentlich an. Ihre Beharrlichkeit und das Erfassen einer langen Reihe meiner eigenen Vorfahren waren besonders peinlich, nicht zuletzt, weil der Vorwurf ungeheuerhafter Gewohnheiten mich an den einen bekannten Skandal meiner unmittelbaren Vorfahren erinnerte - den Fall meines Vetters, des jungen Randolph Delapore von Carfax, der unter die Neger ging und Vudupriester wurde, nachdem er aus dem Mexikanischen Krieg zurückgekehrt war.
Weniger indes machte ich mir aus all den albernen Geschichtchen über nächtliches Klagen und Heulen in dem öden, winddurchpeitschten Tal unter dem Kalksteinabsturz, über den Kirchhofgestank nach Frühlingsregen; über das zappelnde quäkende weiße Ding, auf das Sir John Claves Roß eines Nachts auf einem einsamen Brachfeld getreten war, und über den Diener, der bei dem, was er am hellichten Tag in der Priorei gesehen hatte, verrückt geworden war. Dieses ungereimte Zeug war nicht mehr als abgedroschenes Gespenstergewäsch, und ich war zu dieser Zeit ein ausgesprochener Skeptiker. Berichte über verschwundene Bauern hingegen waren selbstverständlich weniger harmlos zu nehmen, wenn auch nicht sonderlich bedeutsam, wenn man die heutzutage seltsam anmutenden Gewohnheiten des Mittelalters in Betracht zieht.
Neugieriges Gucken bedeutete oft den Tod, und nicht zu selten war es vorgekommen, daß man einen abgetrennten Kopf auf den — nun geschliffenen — Wällen rund um Exham Priory öffentlich zur Schau stellte.
Einige der Sagen und Legenden waren so überaus romantisch, daß sie in mir den Wunsch aufkommen ließen, ich hätte mich in meinen jungen Jahren mehr mit vergleichender Mythologie beschäftigt. Da gab es zum Beispiel die Vorstellung, eine Legion fledermausflügeliger Teufel habe allnächtlich in der Priorei Hexensabbath abgehalten - eine Legion, deren Unterhalt die unverhältnismäßig große Fülle von Gemüse in den ausgedehnten Gärten erklären könnte. Und am lebendigsten von allen war die dramatische Geschichte von den Ratten - der über alles herstürzenden Armee klebrigen Ungeziefers, die aus dem Schloß herausgequollen war, drei Monate, nachdem eine Tragödie diesen schaurigen Ort zur Einsamkeit verdammt hatte - der mageren, schleimigen, gefräßigen Armee, die alles, was ihr in den Weg gekommen war, kahlgefressen und verschlungen hatte: Geflügel, Katzen, Hunde, Schweine, Schafe und sogar zwei unglückliche Menschen, ehe ihre Raserei ein Ende hatte. Um diese unvergeßliche Nagerarmee webt sich ein eigener Kreis von Mythen, denn die grausigen Tiere verstreuten sich weit über das Land und brachten Fluch und Schrecken mit sich.
Solcherart war die Kunde, die auf mich einstürmte, als ich mit der Starrköpfigkeit des ältlichen Menschen die Restaurierungsarbeiten auf meinem Ahnensitz vorantrieb. Man darf aber nicht auch nur einen Augenblick glauben, daß diese Geschichten meine psychologische Hauptumgebung gebildet hätten, denn von anderer Seite wurde ich ständig gelobt und ermutigt, von Captain Norrys und den Archäologen, die um mich waren und mich unterstützten. Als dann nach zwei Jahren die Arbeit getan war, begutachtete ich die großen Räume, die getäfelten Wände, die gewölbten Decken, die Säulenfenster und breiten Treppen mit nicht wenig Stolz, der die verschwenderischen Kosten der Restaurierung voll und ganz aufwog.
Jedes Beiwerk aus dem Mittelalter war aufs vortrefflichste kopiert und die neuen Teile verbanden sich vollkommen mit den alten Mauern und dem Fundament. Der Sitz meiner Väter war wieder errichtet, und ich sah dem Tag entgegen, wo ich den guten Ruf meiner Familie, die mit mir endet, wiederherstellen würde. Ich beabsichtigte mich hier für ständig niederzulassen und den Leuten zu beweisen, daß ein de la Poer (ich hatte die alte Schreibung meines Namens wieder angenommen) nicht unbedingt ein Satan sein muß. Mein Gefühl von Bequemlichkeit wurde noch durch die Tatsache verstärkt, daß Exham Priory, obgleich mittelalterlich ausgestattet, vollkommen neu war und ohne jedes Ungeziefer und Geister einer bösen 'Vergangenheit.
Wie ich bereits erwähnt habe, zog ich am 16 . Juli 1923 ein. Mein Haushalt bestand aus sieben Dienstboten und neun Katzen, welche letzteren ich besonders gern habe. Meine älteste Katze »Nigger-Man« war sieben Jahre alt und mit mir aus meinem Haus in Bolton, Massachusetts gekommen; die übrigen hatte ich so nach und nach erworben, als ich bei Captain Norrys Familie während der Restaurierungsarbeiten
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