Cthulhu-Geistergeschichten
mit den dazupassenden Möbeln ein und begann zu schreiben und zu malen.
Er lebte allein und erledigte die einfacheren Hausarbeiten ohne fremde Hilfe. Sein Atelier lag in einem Dachzimmer, das durch die zahlreichen Fenster genügend Licht erhielt. Während des ersten Winters schrieb er vier seiner bekanntesten Kurzgeschichten - »Das Ding von unten«, »Der Wurm in der Krypta«, »Shaggai«, »Im Tal von Pnath«, sowie »Der Fresser aus dem All« - und malte sieben Bilder; Studien von namenlosen, unmenschlichen Monstren und unerhört fremden, außerirdischen Landschaften.
Oft saß er bei Sonnenuntergang gedankenverloren vor seinem Schreibtisch und betrachtete verträumt die dunklen Türme von Memorial Hall, die hohe Silhouette des georgianisdien Gerichtsgebäudes, die spitzgiebeligen Dächerzüge der Altstadt und den in der Ferne schimmernden, türmegekrönten Hügel, dessen unbekannte Straßen und labyrinthische Dachfirste seine Phantasie so mächtig anregten. Von den wenigen Freunden, die er hier besaß, hatte er gehört, daß dieses eigenartige Viertel fast ausschließlich von Italienern bewohnt wurde, obwohl die meisten Häuser noch aus der Zeit der Yankees und Irländer stammten. Hin und wieder richtete er sein Fernglas nach dieser gespenstischen, unerreichbaren Welt, die dort drüben hinter dem quirlenden Rauch der Kamine liegen mußte, wählte einige Schornsteine, Türmchen und Dächer aus und bildete sich ein, welche bizarren und unerhörten Geschehnisse sie bergen müßten. Sogar durch das Fernglas gesehen wirkte Federal Hill irgendwie fremdartig, halb märchenhaft und mit den unwirklichen, unfaßbaren Wundern verwandt, die Blake in seinen Geschichten und auf den Bildern darstellte. Dieser Eindruck wirkte in ihm noch lange nach, selbst dann noch, wenn der Hügel bereits im violetten, lampengestirnten Zwielicht zu verschwimmen begann und die Scheinwerfer des Gerichtsgebäudes oder die roten Industriereklamen aufflammten.
Unter all den fernen Gebäuden auf Federal Hill faszinierte Blake eine riesige, düstere Kirche am meisten. Zu gewissen Tageszeiten traten ihre Umrisse besonders stark hervor, und bei Sonnenuntergängen zeichnete sich der wuchtige, spitze Turm wie eine schwarze Warnung am Himmel ab. Die Kirche stand, so schien es Blake, an der höchsten Stelle des Hügels, denn sie erhob sich weit über das giebelige, schiefe, krumme Dächergewirr, das sie schon ein gutes Jahrhundert oder sogar länger beherrscht haben mußte, wie man an ihren von Ruß und Stürmen verheerten Steinmauern ablesen konnte. Soweit man das durch ein Fernglas zu erkennen vermochte, schien sie einer der ersten Versuche neugotischer Renaissance zu sein, welche der Upjohn-Periode gefolgt war, und noch einige Anklänge an Linie und Proportion des Georgianismus aufwies.
Möglicherweise war sie zwischen 1810 und 1811 erbaut worden.
Während die ersten Monate dahingingen, beobachtete Blake dieses ferne und so abweisend wirkende Gebäude mit einem seltsam steigenden Interesse. Und da die riesigen Fenster nie erleuchtet waren, folgerte er daraus, daß die Kirche leerstehen mußte. Je länger er zu ihr hinüberblickte, desto mehr begann sich seine Phantasie zu entflammen, bis er sich endlich die absonderlichsten Dinge einbildete. Er glaubte, daß das düstere Gebäude von einer vagen Aura von Desolation umflossen sei, so daß selbst Tauben und Schwalben das rauchgeschwärzte Moos seiner Dachtraufen mieden. Um alle anderen Türme herum zeigte ihm sein Fernglas riesige Scharen von Vögeln, allein um diesen einen war es sonderbar leer. Das jedenfalls meinte er beobachtet zu haben, denn er gibt uns darüber in seinem Tagebuch Bericht. Einige Bekannte, denen er die Kirche durchs Fernglas zeigte, vermochten ihm nicht über diesen seltsamen Zustand Aufklärung zu geben, keiner von ihnen war je auf Federal Hill gewesen.
Im folgenden Frühling wurde Blake von einer starken Rastlosigkeit befallen. Er hatte mit der Niederschrift eines seit langem geplanten Romanes begonnen - er sollte von den ehemaligen Hexenkulten in Maine handeln, aber trotz aller Anstrengung kam er damit nicht recht weiter. Er verbrachte immer mehr und mehr seiner Zeit in dem Sessel vor dem Westfenster, starrte nach dem im diesigen Licht liegenden Hügel hinüber und betrachtete den dunklen, von allen Vögeln des Himmels gemiedenen Turm. Und als die ersten zarten Knospen aus den Zweigen der Gartenbäume hervorbrachen, füllte sich die Welt mit frischer Schönheit, allein Blakes
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