Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)
könnten. Er nahm sich vor, in der Redaktion Bild für Bild der Aufnahme zu analysieren und auf jede Besonderheit zu achten. Irgendein Hinweis musste sich in den Terrabytes an Informationen doch finden lassen.
Er war im Nachhinein überrascht, dass ihn seine Höhenangst nicht von der Feuerleiter ferngehalten hatte und spürte noch jetzt, wie sich das Adrenalin durch seine Adern presste.
Die Wiedergabe kam zum Showdown auf dem Dach. Der Schütze spannte gerade den hellblauen Schutzschirm auf, als Jingleis kleiner schwarzen Wagen in die Szenerie fuhr. Christopher deaktivierte das Device und stieg in den Kawashima. Jinglei verursachte beim Anfahren beinahe einen Unfall mit einem Polizeigleiter, der gerade Patrouille entlang der Hauptstraße flog. Sie atmete tief durch.
"Soll nicht besser ich fahren?"
Sie schüttelte den Kopf und setzte das Fahrzeug erneut in Bewegung. Die Fahrt verlief für eine Weile wortlos.
An den Straßen säumten Menschen die Gehwege. Sie gingen scheinbar ziellos, mit Kerzen in den Händen und feuchten Augen ihre Trauer um Varlas Tod auszudrücken. Die Mehrheit trug als Zeichen der Verbundenheit mit der Kirche von Rothul dunkelrote Kleidungstücke, Fahnen, Arm- und Halsbänder oder Hüte. Unter den Passanten befanden sich aber auch die grünen Farben der demokratischen guayun-Bewegung um Matsuo, stets begleitet von einem kleinen Feuer und andächtiger Stille. Ihre Schatten tanzten entlang der Häuserwände. An jeder Straßenkreuzung stand eine Gruppe von Männern und Frauen, die sich - die Hände gen Himmel gestreckt, den Mund zu klagenden Schreien verzerrt - in ihrer Trauer gegenseitig anzufeuern schienen. Der Anblick erinnerte Christopher in seiner Intensität an Aufnahmen klagender Verwandter während der Greueltaten der weißen Minderheit gegen die Kinder der herrschenden Hutu in Afrika.
"Alles friedlich, bei aller Verzweiflung. Ich bin überrascht", sagte Christopher um die Stille zu durchbrechen.
"Noch", sagte Jinglei. Sie blickte ernst auf die Prozession. Die Stirn in Falten schien sie nach etwas zwischen all den Menschen zu suchen oder wartete darauf, dass etwas den Frieden stört.
"Sie kennen Feng nicht. Er ist kein komplizierter Mensch. Er wird, egal was die Ermittlungen ergeben, Stimmung gegen Harutos Rebellen machen und versuchen, Verbindungen zu Geeintes Cubuyata in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Das verfolgt er schon seit Jahren."
Jinglei zeigte auf einen einzelnen Mann in dunkelrot, der ein Plakat hoch hielt. "Wahlbündnis Haruto/Matsuo?" stand darauf. Die Polizei muss den Täter und die Hintermänner schnell fassen, dachte Christopher. Rothulaner, Oppositionspartei, terroristische Rebellen und die Wahlen nächste Woche. Er fühlte die vibrierende Spannung in der ruhigen Szene des Lichterzugs an der Straße.
Er erzählte Jinglei von der Verfolgungsjagd mit dem Schützen und wie knapp er entkam. Jinglei hörte ihm gebannt und mit offener Faszination zu. Sie hatten sich kurz nach dem Anschlag aus den Augen verloren. Jinglei berichtete Christopher, wie sie in der auf den Schuss folgenden Panik dagegen angekämpft hatte, nicht zu Boden gedrückt zu werden. Er versicherte ihr, sie gesucht und nicht gefunden zu haben. Er hatte sich von der Sichtung der Aufnahmen einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort erhofft, stattdessen aber das Gebäude des Attentäters ausgemacht.
Christophers PD piepte. Die Abendausgabe des New Rothul Telegraph.
"Polizeichef Xi lässt verlauten, dass derzeit sämtliche Optionen geprüft und keine Vorverurteilungen stattfinden sollen", las Christopher laut vor.
"Er untersteht dem Präsidenten. Und der Präsident will in der Bevölkerung die Gewissheit verbreiten, dass die Ermittlungen nach rechtsstaatlichen Grundregeln ablaufen."
Christopher fragte sich, wie objektiv Jinglei an der Story recherchierte oder dies überhaupt konnte. War sie vielleicht nur paranoid? War die rothulanische Kirche mit ihrem Oberhaupt tatsächlich so skrupellos wie sie ihn glauben machen ließ? Erinnerungen an das großchinesische Regime erschienen vor seinem geistigen Auge.
"Ich muss mit Feng sprechen."
Jinglei musterte ihn, so als würde sie abwarten, ob er es ernst meinte.
"Das ist nicht so einfach. Für gewöhnlich gestattet er Audienzen erst nach einer Bedenkzeit." Sie schwieg eine Weile und sagte dann: "In Ordnung, wir sorgen einfach dafür, dass es ihm leicht fällt, sich zu entscheiden. Ich habe da eine Idee."
* * *
Sie fuhren zurück zur Redaktion, die
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