Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)
schon. Sobald wir in der Redaktion sind, nehme ich Kontakt zu meiner Quelle auf."
Nach der Debatte unterhielten sie sich mit weiteren anwesenden Journalisten, die je nach Arbeitgeber eine andere Sicht auf die vergangenen anderthalb Stunden hatten. Christopher erzählte Sakura beim Verlassen des yuanwuding, dass er sich über die insgesamt sehr offene Debatte wunderte. Sie erklärte ihm, dass der Sender die Diskussion zeitversetzt und zensiert übertragen würde.
"Weitere Kontrollen, wie die Überwachung des offenen Netzes mit einer Unzahl an Foren, versucht die Regierung erst gar nicht. Was ich ihnen noch nicht erzählt habe ist, dass neben dem öffentlichen Netz noch das kontrollierte Staatsnetz existiert, an das die meisten Personen angebunden sind. Feng hatte in der Vergangenheit immer wieder versucht, das öffentliche Netz als virenbehaftet und anarchistisch zu bezeichnen, von einem Verbot hat die Regierung aufgrund der technisch unmöglichen Durchsetzbarkeit aber abgesehen."
Sakura fuhr Christopher anschließend in sein Hotel und kehrte nach Hause zurück. Ihre Tochter schlief bereits. Sie verabschiedete sich von ihrer Schwester, braute sich noch eine Tasse Bancha, koffeinarmen Grüntee, und las im Shôbôgenzô das Kapitel Uji, die "Sein-Zeit". In Dogens Philosophie, die dem Zen allgemein zugrunde liegt, ist Zeit mit dem Sein und der Handlung stets verbunden. Das Sein kann nur im jetzigen Augenblick existieren, vergangene und zukünftige Momente sind nur gedankliche Konstrukte.
Sakura dachte darüber nach. Feng, Matsuo, die Partei, die Spaltung der Gesellschaft in zwei Kasten, all das existiert nur jetzt in diesem Moment. Jeder neue Augenblick war getrennt von dem vorherigen. Wir neigen dazu, stets eine Kopie des vorherigen Augenblicks als Grundlage für den neuen zu nutzen. Ab Sonntag, so hoffte sie, würden sie Augenblick für Augenblick eine völlig neue Existenz erleben und vergangene Momente vergessen können.
Kapitel 7
Am nächsten Morgen stand Christopher früh auf und las über sein PD sämtliche verfügbaren Informationen zur aktuellen Situation auf Cubuyata mit Fokus auf die City. Neben den Qualitätszeitungen und Boulevardblättern studierte er auf Anraten von Sakura auch die Einträge in den populären Foren des öffentlichen Netzes und die Verlautbarungen der staatlichen Medien im Staatsnetz. Abzüglich der beiderseitigen polemischen und populistischen Ausbrüche zeigte sich ihm ein ausführliches Bild der Lage. Die jayun-Viertel hatten die größten Verwüstungen erfahren. Dutzende brennende Fahrzeuge, hunderte eingeschlagene Scheiben und etwa 120 Verletzte durch Steinwürfe und Prügeleien. Die Stadteile mit guayun-Bevölkerung waren den Berichten zufolge deutlich weniger betroffen. Lediglich einige Dutzend Mitglieder der Rebellenextremistengruppe Hokkaidos Rache hatten Scheiben eingeschlagen, die Anzahl der Beteiligten schwankte allerdings je nach Quelle.
Die Analyse des fotografierten Verfolgerfahrzeugs führte Christopher zu keinen neuen Erkenntnissen. Er hatte über Nacht eine professionelle Recherchesoftware über die Aufnahmen laufen lassen. Die beiden Fahrer und das Kennzeichen waren aber in keinen seiner Quellen oder jenen Sakuras bekannt. Zumindest verfügte er nun über ein unscharfes Foto des Gesichts seines Verfolgers von gestern. Er kannte ihn nicht, über den Auftraggeber konnte er nur mutmaßen. Wang Dun, der ihm nicht zutraute auf Linie zu bleiben? Jacksons Leute, die eine Beteiligung von ihm am Mord nicht ausschlossen? Feng, der sich durch seine Anwesenheit bedroht fühlte? Statt einer Story über ein religiöses Ereignis ermittelte er nun in den Fallstricken der hiesigen Politik. Ihm gefiel das, das war seine Welt. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit entdeckte er in sich den Biss, den er seit seinen Recherchen in China nicht mehr gehabt hatte, jener Zeit, die Auszeichnungen und Ruhm für ihn zur Folge hatte. Aber mit seiner Prominenz waren neue Probleme aufgetaucht. Robert hatte versucht, Christophers Bekanntheit auf mehrere Ressorts der Metro Times zu übertragen, zum Teil lediglich mit Christophers Namen, größtenteils aber auch mit ausführlichen Artikeln. So kam es, dass Christopher über Sport, Musik, Literatur, Wirtschaft und Wissenschaft schrieb, obwohl er sich in vielen Bereichen nicht auskannte und ihm auch das relevante Interesse fehlte. Da dies auch seinem Chef bewusst war, hatte er ihm stets einen kompetenten Berater zur Seite gestellt, der
Weitere Kostenlose Bücher