Cugel der Schlaue
sind.
und Hakennase. Beide trugen prächtige Kleidung mit doppelkrempigen Hüten, roten Satinschärpen und Stiefeln aus feinstem Leder. Cugel blinzelte, betrach tete sie eingehender und erkannte in ihnen Yelleg und Malser. Ihrem Zustand nach durfte jeder zumindest eine Flasche Wein geleert haben. Yelleg sang ein Seemannslied, und Malser grölte: »Tirra la lirra, wir ziehen in das Land, wo die Maßliebchen blühen«, was er mehrmals wiederholte. So sehr waren sie in ihren Gesang vertieft, daß sie weder nach rechts noch nach links blickten und Cugel fast streiften, ohne ihn zu bemerken. Sie überquerten den Platz und verschwanden in der Schenke Zum Nordstern.
Cugel machte sich daran, ihnen zu folgen, sprang jedoch zur Seite, als Räder herbeirumpelten. Eine prächtige Kutsche, von zwei hochbeinigen Schnäblern gezogen, bog knapp neben ihm auf den Platz ein. Der Wagenlenker trug schwarze Samtkleidung mit Silberbesatz und einen riesigen Hut mit krausen, schwarzen Federn. Neben ihm saß eine üppige Dame in orangefarbenem Gewand. Nur weil er so nahe an ihm vorbeikam, erkannte Cugel in dem Wagenlenker Bilberd, den ehemaligen Gärtner von Flutic. Wütend brummelte Cugel vor sich hin: »Bilberds neuer Beruf, den ich so großzügig zu finanzieren anbot, hat mich weit mehr gekostet, als ich auch nur geahnt hätte.«
Früh am nächsten Morgen verließ Cugel Saskervoy und marschierte ostwärts. Er überquerte die Hügel und gelangte zum Shanglestone Strand.
In der Nähe reckten sich die ungewöhnlichen Türmchen Flutics der Morgensonne entgegen und hoben sich scharf gegen die Düsternis im Norden ab.
Auf Umwegen näherte Cugel sich dem Landsitz, benutzte Büsche und Hecken als Deckung, und hielt oft an, um zu lauschen. Er hörte jedoch nichts. Eine trostlose Stimmung hing in der Luft.
Vorsichtig ging Cugel um das Haus herum. Der Teich kam in Sicht. Mit hängenden Schultern, den Kopf nach vorn geneigt, saß Twango in der eisernen Fähre, die er in die Mitte gezogen hatte. Während Cugel ihn beobachtete, zog Twango ein Seil hoch. Aus der Tiefe kam Gark mit einem kleinen Eimer voll Schlamm, den Twango in die Wanne leerte.
Twango gab Gark den Eimer zurück. Der Wicht stieß einen keckernden Laut hervor und tauchte wieder in die Tiefe. Twango zog ein zweites Seil hoch und brachte Gookin mit einem anderen Eimer zum Vorschein.
Cugel schlich zu dem dunkelblauen Kegelbusch, grub darunter, wickelte zum Schutz ein mehrfach gefaltetes Tuch um seine Hand, und holte das »Brusthimmelsbruch Sprühlicht« aus seinem Versteck.
Cugel schaute noch ein letztes Mal zum Teich. Die Wanne war voll. Die völlig mit Schlamm überzogenen Winzlinge Gark und Gookin saßen je an einem Ende des Behelfsfährboots, während Twango es in der Mitte am Spannseil ans Ufer zog. Cugel sah ihnen einen Augenblick zu, dann drehte er sich um und kehrte nach Saskervoy zurück.
Das Gasthaus zu den Blauen Lampe n
Als Meister Soldinck auf der Suche nach seinen ver schwundenen Schuppen nach Flutic zurückkehrte, beschloß Cugel, sich seiner Befragung nicht auszusetzen. Heimlich verließ er Meister Twangos Besitz und eilte westwärts zu dem Städtchen Saskervoy.*
Nach einer Weile machte er eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen. Er war zutiefst verbittert. Durch die Falschheit von Minderwertigen trug er nun kein Paket wertvoller Schuppen bei sich, sondern nur eine Handvoll »gewöhnliche« und eine einzige »besondere«: die »Jochsprungbein«. Die wertvollste von allen, die »Brusthimmelsbruch Sprühlicht« war noch im Hintergarten von Flutic vergraben, doch sie hoffte Cugel sich wiederholen zu können, und wenn nur, weil Iucounu, der Lachende Magier, sie unbedingt haben wollte.
Weiter marschierte Cugel auf der Straße: durch einen dunklen Wald von Pilzeichen, Eiben, Mernachen und Koboldbäumen. Schwacher roter Sonnenschein filterte durch das Laubdach, und durch einen Trick des Lichtes wirkten alle Schatten dunkelblau.
Wachsam und immer wieder nach allen Seiten Ausschau haltend, wie es zu diesen Zeiten ratsam war, schritt Cugel dahin. Er sah viel, was nicht nur seltsam, sondern manchmal auch atemberaubend schön war: weiße Blüten hoch auf dünnen Ranken
* Nunmehr sei darauf hingewiesen, daß die Erzählung in die Zeit zurückkehrt, da Cugel Flutic erstmals verließ, also vor den Ereignissen, über die auf den letzten Seiten berichtet wurde.
über dichten, flachen Blättern; Feenburgen aus Pilzen, die terrassen-und turmförmig über verrottenden
Weitere Kostenlose Bücher