Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cugel der Schlaue

Cugel der Schlaue

Titel: Cugel der Schlaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
Würmer bäumen sich auf und schlagen aus: Dann zeigt der Geck sein wahres Gesicht, oder vielmehr, man wird ihn in den dunkelsten Winkeln des Laderaumes suchen müssen, wohin er sich verkrochen hat!«
    Cugel und Lankwiler ließen sich diese Worte durch den Kopf gehen, während Drofo erst nach Backbord, dann nach Steuerbord stapfte.
    Nunmehr deutete Drofo mit langem bleichen Zeigefinger auf das Meer. »Dorthin ziehen wir, halbwegs zwischen Himmel und Meeresgrund, wo die Geheimnisse jeden Zeitalters sich in einer Dunkelheit verbergen, die vollkommen wird, wenn die Sonne erlischt!«
    Wie um seine Bemerkung zu bestätigen, schob sich flüchtig eine schwarze Wolke vor das Antlitz der Sonne. Nach kurzem Zögern kehrte das Tageslicht zurück, zur offensichtlichen Erleichterung Lankwilers, während Drofo überhaupt nicht darauf achtete.
    Er hob den Finger in die Luft.
    »Der Wurm ist ein Freund des Meeres! Er ist weise, obgleich er nur sechserlei zu kennen scheint: Sonne, Wellen, Wind, Horizont, dunkle Tiefe, Richtungstreue, Hunger und Sättigung … Ja, Lankwiler? Weshalb zählst du mit den Fingern?«
    »Es ist nichts von großer Bedeutung, Herr.«
    »Die Würmer sind nicht klug«, fuhr Drofo fort. »Sie können keine Kunststücke und verstehen keine Witze. Der gute Wurminger ist ein anspruchsloser Mann, genau wie seine Würmer. Es interessiert ihn wenig, was er ißt, und es ist ihm egal, ob er naß oder trocken schläft oder überhaupt nicht. Wenn seine Würmer geradeaus streben, wenn der Seegang richtig ist, wenn die Würmer ordentlich fressen und gut verdauen, dann ist der Wurminger zufrieden. Mehr verlangt er nicht von der Welt, weder Reichtum noch Bequemlichkeit noch die Zärtlichkeiten sinnlicher Frauen, auch nicht Zierat wie dieser geckenhafte Putz, den Cugel da an seinem Hut trägt. Sein Weg ist das Nichts der Gewässer!«
    »Wie erregend!« rief Lankwiler. »Ich bin stolz, ein Wurminger zu sein! Und du, Cugel?«
    »Ich nicht weniger!« versicherte Cugel. »Welch eine würdige Berufung. Diese Hutzier ist übrigens ein Erbstück, wenngleich von keinem großen Wert.«
    Drofo nickte gleichmütig. »Nun werde ich euch den obersten Grundsatz unseres Berufes offenbaren, dem weltweite Bedeutung verliehen werden kann. Ein Mann kommt zu euch und sagt: ›Ich bin ein Meisterwurminger!‹OdereinMeisterwurmingerbleibt abseits stehen, ohne ein Wort zu äußern. Wie läßt sich die Wahrheit erkennen? Nun, die Würmer verraten sie!
    Ich werde es genauer erklären. Solltet ihr eine gelbe, schleimige Kreatur mit aufgedunsenem Hals sehen, die Kiemen mit Wasserstein verkrustet und mit Geschwüren am Rücken – wem gebt ihr da die Schuld? Der Wurm, der nur Wasser und Weite kennt? Oder ihm, der ihn pflegen sollte? Können wir einen solchen Menschen Wurminger nennen? Entscheidet selbst! Doch hier ist ein anderer Wurm: kräftig, richtungstreu, rosig wie der Sonnenaufgang! Dieser Wurm bezeugt die Hingabe seines Wurmingers, der unermüdlich seine Glieder poliert, es gar nicht zu Druckstellen kommen läßt, und die Kiemen säubert und glänzend reibt, bis sie wie Silber blitzen! Er ist auf unvorstellbare Weise eins mit Brandung und Meer, und sein ist die heitere Gelassenheit, wie nur der Wurminger sie zu empfinden vermag!
    Viel mehr brauche ich nicht zu sagen. Cugel, du bist mit diesem Beruf nicht übermäßig vertraut, aber ich erachte es als gutes Zeichen, daß du zur Ausbildung zu mir gekommen bist, obwohl ich ein strenger Lehrherr bin. Du wirst lernen – oder ertrinken, oder schlimme Bekanntschaft mit den Flossen schließen, oder, was das Schlimmste wäre, dir meinen Unwillen zuziehen. Doch du hast einen vielversprechenden Anfang gemacht, und ich werde dich gut lehren. Wenn du mich für barsch oder anmaßend hältst, erliegst du einer nur dir selbst schadenden Täuschung! Ich bin streng, das stimmt, doch wenn ich dich zu guter Letzt als Wurminger anerkenne, wirst du mir danken.«
    »Davon bin ich überzeugt«, murmelte Cugel.
    Drofo achtete nicht weiter auf ihn. »Lankwiler, du hast vielleicht nicht Cugels Einfühlungsvermögen, aber dafür den Vorteil, bereits eine Reise unter Wagmunds fachmännischer Leitung unternommen zu haben. Ich habe dich auf gewisse Fehler aufmerksam gemacht, sowie auf Lässigkeiten und Unterlassungen. Ich hoffe, das hast du dir zu Herzen genommen?«
    »Selbstverständlich!« versicherte ihm Lankwiler mit freundlichem Lächeln.
    »Gut. Du kümmerst dich um Cugel, zeigst ihm die Kisten und Säcke und besorgst

Weitere Kostenlose Bücher