Cugel der Schlaue
mühelos über weite Strecken. Doch wurde er des Staubes und der Gefahren müde, die das Reisen mit sich bringt. So ließ er sich hier nieder, um Steinhauer zu werden. Ich bin nun der Letzte des Geschlechts.«
Die beiden Männer kehrten in die Werkstatt zurück. Unter Nisbets Anleitung nahm Cugel die Seile und zog an dem Zwanziger, daß er langsam durch die Luft schwebte und auf die Säulen zu.
Nisbet hielt am Fuß einer Säule an, an der ein Schild kundtat:
DAS ERHABENE MONUMENT VON
CROULSX
»NUR DAS HÖCHSTE IST FÜR UNS GUT GENUG!«
Nisbet legte den Kopf zurück und rief: »Croulsx! Kommt herunter! Wir sind bereit, Eure Säule zu erhöhen!«
Croulsx’ Kopf schob sich über den Rand und hob sich vom Himmel ab. Als er sich vergewissert hatte, daß wirklich er gemeint war, kletterte er hinunter. »Ihr habt Euch Zeit gelassen«, sagte er ungehalten zu Nisbet. »Zu lange war ich gezwungen, mich mit minderwertigen Strahlen zufriedenzugeben.«
Nisbet nahm die Beschwerde gelassen hin. »Jetzt ist jetzt, und in diesem Augenblick, der als Jetzt bekannt ist, ist Euer Säulenteil errichtbar, und jetzt könnt Ihr die oberen Strahlen genießen.«
»Ihr könnt leicht mit Euren ›Jetzts‹ um Euch werfen«, brummelte Croulsx. »Ihr müßt ja nicht auf meinen beeinträchtigten Gesundheitszustand achten!«
»Ich kann nicht mehr als arbeiten«, entgegnete Nisbet. »Und weil wir davon sprechen, gestattet, daß ich Euch meinen neuen Mitarbeiter, Cugel, vorstelle. Es ist zu erwarten, daß alles nun schwungvoll vorangeht, da Cugel für seine Erfahrung und Energie bekannt ist.«
»Wenn das der Fall ist, bestelle ich sofort fünf weitere Stücke. Dame Croulsx wird die Bestellung durch eine Anzahlung bestätigen.«
»Ich kann Euren Auftrag im Augenblick nicht ausführen«, entgegnete Nisbet. »Ich werde ihn jedoch nicht vergessen. Cugel, seid Ihr bereit? Dann seid so gut und klettert zu Xippins Säule hoch und zieht den Stein behutsam empor. Croulsx und ich werden Euch von unten unterstützen.«
Der Stein wurde in seine richtige Stellung gebracht, und sofort kletterte Croulsx hoch und machte es sich im roten Sonnenlicht bequem. Nisbet und Cugel kehrten zur Werkstatt zurück, wo Nisbet seinen neuen Teilhaber in der Bearbeitung des Weißsteins unterwies.
Cugel verstand nun Nisbets Lieferverzögerungen. Erstens hatte das Alter ihm die Flinkheit seiner Bewegungen in einem Maß geraubt, das seine Geschicklichkeit nicht mehr wettmachen konnte. Zweitens wurde Nisbet fast ständig von Frauen aus dem Dorf unterbrochen, die ihn mit Aufträgen, Beschwerden, Geschenken und Überredungsversuchen aufhielten.
Am dritten Tag von Cugels neuer Arbeit hielt eine Gruppe Kaufleute vor Nisbets Behausung an. Sie gehörten einer dunkelhäutigen Rasse an, die für ihre bernsteinfarbigen Augen, scharfgeschnittenen Züge und stolze Haltung bekannt war. Ihre Kleidung war nicht weniger auffällig: weite, mit Schärpen gehaltene Beinkleider, Hemden mit Flügelkragen, Unterwämser und Schoßröcke in Schwarz, Beige, Grün und Braun. Dazu trugen sie breitkrempige schwarze Hüte mit weichem Kopfteil, die Cugel sehr vornehm fand. Sie hatten einen großen, hochrädrigen Wagen bei sich, dessen Ladung unter einem Segeltuch verborgen war.Während der Älteste der Gruppe mit Nisbet verhandelte, nahmen die anderen das Tuch ab und offenbarten, wie es aussah, eine größere Zahl aufgestapelter Leichen.
Nisbet und der Älteste kamen zu einer Übereinkunft, und die vier Maoten – so nannte Nisbet sie –, machten sich ans Abladen. Nisbet nahm Cugel ein Stück zur Seite und deutete auf einen fernen Hügel. »Das ist Alt Qâr, die dereinst von der Einstürzenden Mauer bis zu den Silkal Strakes herrschte. Während ihrer Blütezeit gehörten die Bürger von Qâr einer einzigartigen Religion an, die meines Erachtens auch nicht verrückter ist als andere. Sie glaubten, ein Sterbender betrete das Jenseits im gleichen körperlichen Zustand wie bei seinem Tod, wonach er oder sie die Ewigkeit mit rauschenden Festen und anderen Vergnügen verbringen würden, die zu erwähnen der Anstand verbietet. So hielten diese Menschen es für klüger, in der Blüte ihres Lebens zu sterben, da beispielsweise ein zahnloser, von allen möglichen Gebrechen befallener Tattergreis die Gelage, Unterhaltung und Nymphen des Paradieses wohl kaum noch voll genießen könnte. Die Bürger von Qâr sorgten deshalb für einen frühen Tod und wurden mit solcher Kunstfertigkeit einbalsamiert, daß ihre
Weitere Kostenlose Bücher