Cugel der Schlaue
Wahrheiten, das müßte Euch als Mann von Kultur doch ebenfalls so ergehen. Habe ich recht?«
»Selbstverständlich und in jeder Beziehung!« versicherte ihm Cugel. »Nur darf nicht übersehen werden, daß diese grundlegenden Wahrheiten von Gegend zu Gegend, ja von Person zu Person, verschieden sein mögen.«
»Trotzdem, gewisse Wahrheiten sind weltweit«, gab Faucelme zu bedenken. »Beispielsweise das alte Ritual des Geschenkaustauschs zwischen Gastgeber und Gast. Als Menschenfreund setzte ich Euch ein gutes und nahrhaftes Mahl vor, außerdem verehrte ich Euch ein Stück magisches Seil und verlieh Eurem Schwert Unverwüstlichkeit und anhaltende Schärfe. Nun werdet Ihr Euch lebhaft fragen, was Ihr mir dafür geben könnt. Ich werde Euch nur um Eure gute Meinung bitten …«
Sofort versicherte ihm Cugel: »Die habt Ihr, ohne jegliche Einschränkung, und damit wurde den Grundwahrheiten Genüge getan. Nun, Faucelme, muß ich gestehen, daß ich müde bin und deshalb …«
»Cugel, ich danke Euch! Hin und wieder begegnet uns auf unserem einsamen Weg durch das Leben ein Mensch, der uns sofort, oder so zumindest scheint es, zum lieben Freund wird, dem man sein Vertrauen schenken kann. Ich werde traurig sein, wenn Ihr wieder weiterzieht. Ihr müßt mir ein kleines Andenken zurücklassen, und ich sage Euch gleich, ich werde nichts anderes nehmen als den billigen Tand, den Ihr am Hut tragt. Eine Kleinigkeit, nicht mehr, aber es wird die liebe Erinnerung an Euch wachhalten, bis Ihr eines glücklichen Tages wiederkehrt. Ihr dürft mir nun den Zierat geben.«
»Mit Vergnügen«, versicherte ihm Cugel. Mit größter Vorsicht griff er in seinen Beutel und holte die billige Spange heraus, die ursprünglich die Krempe seines Hutes hochgehalten hatte. »Mit meiner größten Wertschätzung verehre ich Euch meine Hutzier.«
Faucelme betrachtete die Spange einen Moment, dann blickte er hoch, und der eindringliche Blick seiner milchig goldenen Augen richtete sich auf Cugels Gesicht. Er schob die Spange von sich. »Cugel, das ist zu viel! Dies ist ein wertvolles Schmuckstück – nein, widersprecht nicht! –, ich will aber lediglich dieses etwas gewöhnliche Ding mit dem unechten roten Stein in der Mitte, das mir an Eurem Hut aufgefallen ist. Kommt, ich bestehe darauf! Es wird einen Ehrenplatz hier in meinem Salon erhalten.«
Cugel lächelte säuerlich. »In Almery lebt Iucounu, der Lachende Magier.«
Unwillkürlich verzog Faucelme das Gesicht.
Cugel fuhr fort: »Wenn ich ihn sehe, wird er fragen: ›Cugel, wo ist mein Brusthimmelsbruch Sprühlicht, das dir anvertraut wurde?‹ Was soll ich ihm da antworten? Daß ein gewisser Faucelme im Land der Einstürzenden Mauer auf seinem Besitz bestand?«
»Das ist eine Sache, die Nachdenken verdient«, murmelte Faucelme. »Eine Lösung des Problems bietet sich an: Wenn Ihr Euch beispielsweise entschließen würdet, nicht nach Almery zurückzukehren, bekäme Iucounu keine Gelegenheit, davon zu erfahren. Oder wenn …« Faucelme schwieg plötzlich.
Ein Augenblick verging, dann sagte Faucelme mitfühlend: »Ihr müßt ja völlig erschöpft sein und Euch ausruhen wollen. Doch zuvor ein Schluck meines würzigen Magenbitters, der gut für die Verdauung ist und die Nerven stärkt.«
Cugel versuchte abzulehnen, aber Faucelme hörte nicht darauf. Er holte eine kleine schwarze Flasche und zwei Kristallkelche. In Cugels schenkte er eine blasse Flüssigkeit, etwa einen halben Zoll hoch. »Ich habe ihn selbst gebrannt«, erklärte Faucelme. »Laßt ihn Euch schmecken.«
Ein Falter flatterte dicht über Cugels Kelch – und fiel sofort tot auf den Tisch.
Cugel stand auf. »Ich brauche keinen Magenbitter«, sagte er. »Wo darf ich schlafen?«
»Kommt.« Faucelme führte Cugel eine Treppe hoch und öffnete eine Tür. »Eine gemütliche kleine Kammer, wo Ihr gut schlafen werdet.«
Cugel wich zurück. »Sie hat keine Fenster! Hier würde ich ersticken.«
»Oh? Nun gut, dann zeige ich Euch eine andere … Was ist mit dieser? Das Bett ist besonders weich.«
»Was soll dieses schwere Eisengitter über dem Bett?« fragte Cugel. »Was ist, wenn es während der Nacht herabfällt?«
»Cugel, das ist reine Schwarzseherei! Ihr müßt immer die schönen Dinge des Lebens sehen! Habt Ihr beispielsweise die Vase mit den hübschen Blumen neben dem Bett bemerkt?«
»Wie schön! Zeigt mir ein anderes Schlafgemach!«
»Schlaf ist Schlaf«, sagte Faucelme nun verdrießlich. »Seid Ihr immer so schwer
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