Cujo
Knie reichte, wenn er stand. Mit den Autos für siebenundneunzig Cents mußte man übrigens vorsichtig spielen, denn sie waren MADE IN TAIWAN und neigten dazu, auseinanderzufallen.
Er hatte verschiedene »Männer«, die er in seine Autos hineinsetzen konnte. Einige hatte er von seinem anderen Spielzeug genommen, andere waren Soldaten. Und dann hatte er noch die Figuren aus dem Krieg der Sterne,
Er beschäftigte sich jetzt mit einem Spiel, das er besonders oft spielte. Es hatte keinen Namen. Es bestand darin, daß er die A Autos und die »Männer« aus seinen beiden Spielzeugschrän-‘ken herausholte und sie parallel zueinander aufstellte. Es war, als parkten sie schräg auf einer Straße, die nur für Tad sichtbar war. Dann fuhr er die Autos ganz langsam zur anderen Seite des Zimmers, wo er sie Stoßstange an Stoßstange aufreihte. Manchmal wiederholte er die Prozedur stundenlang, ohne müde zu werden.
Das Spiel war Vic und Donna aufgefallen. Die ständige Wiederholung, fast schon ein Ritual, hatte sie ein wenig beunruhigt. Sie hatten ihn gefragt, was denn so schön daran sei, aber Tads Wortschatz hatte nicht ausgereicht, es ihnen zu erklären. Es war ein ruhiges, friedliches, streng geordnetes Spiel, und wenn sein Vokabular groß genug gewesen wäre, hätte er seinen Eltern sagen können, dies Spiel böte ihm Gelegenheit, nachzudenken und gewisse Überlegungen anzustellen.
Und das war auch, während er jetzt spielte, der Fall. Etwas stimmte nicht.
Automatisch - und unbewußt - sah’er zu dem großen Schrank hinüber, aber dort gab es keine Probleme. Die Tür war geschlossen, und seit er die Worte an die Ungeheuer hatte, war sie nicht wieder von selbst aufgegangen. Nein, etwas anderes war verkehrt.
Er wußte nicht, was es war, und vielleicht wollte er es auch gar nicht wissen. Aber wie Brett Camber hatte auch er ein feine« Gefühl für Stimmungsschwankungen zwischen seinen Eltern. Er hatte das Gefühl, daß es unter der Oberfläche brodelte. Irgend etwas stimmte nicht mit seinen Eltern.
Wie sie einander ansahen. Wie sie miteinander redeten. Er sah es in ihren Gesichtern. Und er ahnte es in ihren Gedanken.
Er hatte eine Runde seines Spiels beendet, stand auf und ging an das Fenster. Seine Knie taten weh, denn er hatte schon eine ganze Weile gespielt. Hinten im Hof hängte seine Mutter Wäsche auf. Vor einer halben Stunde hatte sie versucht, den Mann anzurufen, der ihren Wagen reparieren sollte. Sie hatte lange gewartet, daß jemand sich meldete, und dann wütend den Hörer aufgelegt. Sonst wurde Mom über Kleinigkeiten nie so wütend.
Als er sie beobachtete, hängte sie gerade die letzten beiden Laken auf. Sie betrachtete sie … und ließ die Schultern hängen. Sie stellte sich neben den Apfelbaum jenseits der doppelt gespannten Wäscheleinen, und er sah an ihrer Haltung -daran, wie sie die Beine stellte, den Kopf senkte und die Schultern bewegte -, daß sie weinte. Tad schaute noch eine Weile aus dem Fenster und ging dann zu seinen Autos zurück. Er hatte ein hohles Gefühl im Magen. Er vermißte seinen Vater, er vermißte ihn sehr, aber dies war schlimmer.
Langsam fuhr er die Autos, eines nach dem anderen, zu ihrem ursprünglichen Parkplatz zurück. Er hielt inne, als er unten die Tür schlagen hörte. Er dachte, sie würde ihn rufen, aber das tat sie nicht. Er hörte sie durch die Küche gehen, und dann knarrte ihr Stuhl im Wohnzimmer. Aber das Fernsehgerät blieb stumm. Er dachte daran, daß sie jetzt dort unten saß -einfach nur saß - und vergaß den Gedanken rasch wieder.
Er hatte die Autos in einer Reihe aufgestellt. Greedo, seine Lieblingsfigur, saß in der Fahrerkabine der Planierraupe, und aus seinen runden schwarzen Augen starrte er Tads Schrank an. Er hatte die Augen weit aufgerissen, als ob er dort etwas gesehen hätte, etwas wirklich Gespenstisches und Grauenhaftes, das sich näherte …
Nervös beobachtete Tad die Schranktür. Sie war fest eingeklinkt.
Aber er hatte die Lust am Spiel verloren. Er stellte die Autos in die Spielzeugschränke zurück und tat es absichtlich laut, damit sie wußte, daß er im Begriff war, nach unten zu kommen, um auf dem achten Kanal Gunsmoke zu sehen. Er ging an die Tür und blieb bei dem Zettel mit den Worten an die Ungeheuer stehen. Er betrachtete sie fasziniert.
Ungeheuer, kommt nicht in dieses Zimmer!
Ihr habt hier nichts zu suchen.
Er kannte sie auswendig. Er schaute auf die Worte, die sein Vater geschrieben hatte, und sagte sie mechanisch
Weitere Kostenlose Bücher