Culpa Mosel
geht hervor, dass Sie eine Schwester haben.«
»Elke«, sie nickte. »Ich war sechs Jahre alt, als sie ins Ausland gegangen ist. Sie war damals gerade achtzehn Jahre alt. Vorher hatte Elke eine Ausbildung in einem Hotel in Trier gemacht. Wir hatten danach leider kaum mehr Kontakt. Irgendwie waren meine Eltern nicht mit ihrem Lebensstil und ihren Ansichten einverstanden.«
Walde rechnete vom Geburtsjahr hoch. »Das war Ende der Siebziger Jahre?«
»Ja. Manchmal kamen Karten. Ich kann mich entsinnen, die Briefmarken bestaunt zu haben, besonders die dreieckigen mit Tieren drauf, die waren aus Afrika. Dort hat sie auch geheiratet, in Marokko, ihr Mann hieß Meloudi, schöner Name.«
»Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Nein, ich habe meine Schwester erst viele Jahre später bei der Beerdigung unserer Mutter wiedergesehen und kaum erkannt. Hätte es nicht die Fotos von ihr gegeben … Und nach der Beerdigung, als wir zum Kaffee gegangen sind, war sie schon wieder weg.«
»Wo wohnt sie heute?« Walde krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Obwohl es schon später als drei Uhr am Nachmittag war, brachte ihn die Märzsonne ins Schwitzen.
»Keine Ahnung. Im Altenheim hatten sie auch keine Adresse von ihr. Sie hatte seit der Hochzeit den Doppelnamen Minar-Pawelka. Ich glaube, sie hat öfter den Arbeitgeber gewechselt und war in der ganzen Welt unterwegs. Jedenfalls kamen die Karten von überall her.«
Walde notierte sich den Namen. »Und jetzt?«, fragte er, während er sie anschaute. Ihr schien die Hitze nichts auszumachen.
»Wie jetzt? Ach so, keine Ahnung. Sie hat bestimmt seit zehn Jahren nichts mehr von sich hören lassen. Vielleicht sucht die Koblenzer Polizei nach ihr.« Sie griff nach der Tasse, die sie mit dem Etui ihrer Sonnenbrille abgedeckt hatte. »Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
»Wenn Sie ein Glas Wasser hätten?«
»Dann sollten wir hineingehen. Ich war heute schon lange genug in der Sonne.«
Auf dem Weg zur Haustür gingen sie an der anderen Seite des Hauses vorbei, wo ein altes Klohäuschen mit einem Herzchen in der Tür stand. Ein paar Schritte weiter schaute Walde neugierig über einen etwa einen Meter achtzig hohen Zaun aus Bambus. Auf einem Karree mit einem Durchmesser von kaum zwei Metern entdeckte er ein großes Holzfass, dessen Dauben aufgeschnitten waren.
»Da war früher mal Wein drin, jetzt ist es meine Sommer-Badewanne«, kommentierte sie seinen Blick.
Im Inneren des Hauses war es deutlich kühler als im Garten. Hinter der Eingangstür lag eine Küche mit einem großen, viereckigen Stangenherd. Daneben stand ein verzinkter runder Kessel auf drei Beinen. Darunter befand sich eine Feuerstelle mit einer Schublade für die Asche.
»In so einem Gerät hat meine Oma das Fressen für die Schweine gekocht.« Walde zeigte auf den Kessel.
»Meine hatte zwei, einen für die Wäsche und einen für das Schweinefressen«, sie lächelte. »Von dem Essen für die Schweine wollte ich immer probieren, durfte es aber nicht, weil da angeblich auch angefaulte Sachen reinkamen.«
»Ich erinnere mich noch gut an den Geruch. Ich glaube, ich habe das Zeug mal probiert.«
»Das ist der Unterschied, Mädchen fragen einfach zu viel. Weißt du … wissen Sie noch, wie es geschmeckt hat?« Sie drehte den Hahn über dem alten steinernen Spülbecken auf.
Er beobachtete, wie das Wasser mit wenig Druck in das Glas lief.
»Nein, wahrscheinlich längst nicht so gut, wie es gerochen hat.«
»Das ist bestes Quellwasser von weiter oben im Tal. Da, wo kein Wein mehr wächst und auch kein Spritzmittel ausgebracht wird.« Sie reichte ihm das Glas. Ihre schmalen Hände und nackten Arme wirkten hier in der Küche viel gebräunter als draußen im hellen Licht.
Das Wasser schmeckte frisch und war angenehm kühl. Walde trank das Glas in einem Zug leer. Neben dem Esstisch stand ein breiter Küchenschrank mit gehäkelten Gardinen hinter den Glastüren des Oberteils. Darunter steckten große Schütten aus milchig geriffeltem Glas, in denen sich vermutlich Mehl, Zucker und dergleichen befanden. Auf der Platte des Unterschranks stand eine hölzerne Kaffeemühle.
»Hier meint man, die Zeit wäre stehen geblieben«, sagte Walde verwundert. »Kommen Sie eigentlich ganz ohne moderne Küchengeräte aus?«
»Strom habe ich schon. Sonst würde der Kühlschrank auch nicht funktionieren.«
Warum war ihm das mächtige rote Gerät nicht aufgefallen? Mit seinem kriminalistischen Spürsinn schien es heute nicht weit her zu
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