Culpa Mosel
Küchentafel gepappte Papier des Kindergartens herunter. Unter der Überschrift,Knipsclub – Guten Appetit’ las er, dass es sich um ein Fotoprojekt für Vorschulkinder handelte, an dem Annika sich mit offensichtlichem Eifer beteiligte. Die Teilnehmer sollten Fotos rund um das Thema Ernährung machen.
»Hast du schon gefrühstückt?«, fragte er, als er das Blatt wieder an der Tafel befestigte.
»Nein, der Knipsclub frühstückt heute im Kindergarten«, antwortete ihm Doris, die mit Mathilda auf dem Arm in die Küche kam. »Annika hat schon alles eingepackt, bringst du sie nachher zum Kindergarten?« Sie zeigte auf die Zeitung. »Ein gemeinsames Wochenende können wir wohl mal wieder vergessen.«
Nachdem er vergeblich versucht hatte, seine Kollegin Monika telefonisch zu erreichen, ging Walde die Treppe zu ihrem Büro hinunter.
»Wie gesagt, ich kann nur auf die PK um 12 Uhr verweisen.« Sie deutete stumm auf einen Stuhl. »Das können Sie dann alles fragen … ja … tut mir leid … ich kann Ihnen jetzt dazu … nein … ja … bis nachher.« Kaum hatte sie aufgelegt, klingelte ihr Telefon erneut. »Ich gehe mal davon aus, dass die Infos«, sie deutete auf die Tageszeitung auf ihrem Tisch, »nicht von euch stammen. Von mir sind sie jedenfalls nicht. Bei mir steht das Telefon nicht mehr still. Außer der ›Bäckerblume‹, ›Radio Vatikan‹ und der ›Apothekenumschau‹ haben schon so ziemlich alle angerufen.«
Das Läuten des Telefons setzte für einen kurzen Moment aus, bevor es wieder von Neuem loslegte.
»Stiermann hat die Pressekonferenz auf 12 Uhr angesetzt.«
Lächelnd und in freundlichem Ton nahm sie das nächste Gespräch entgegen.
Entschieden ernster war Gabis Miene, als sie Walde auf dem Flur entgegenkam. »Sattler hat vorhin angerufen. Er hat seltsame Buchstaben in der Wohnung in Saarburg gefunden«, sie blieb stehen. »Ich würde mir das gerne mal ansehen. Kommst du mit? Und mit dem Schwiegersohn könnten wir dann auch noch sprechen.«
Walde schaute auf seine Uhr. »Spätestens um zwölf muss ich wieder zurück sein.«
Er hatte sich nicht einmal mit Namen anmelden und auch kein Mitgliedskärtchen ausfüllen müssen. Seinen Rucksack hatte Huck in einem der Schließfächer deponiert und nun saß er in diesem beeindruckenden Lesesaal. An drei Wänden waren vom Boden bis hoch oben unter die Decke jede Menge schlaue Bücher gestapelt. Und sicher waren da auch einige darunter, die ihn interessieren würden, vornehmlich die über die Römer, aber das musste bis ein andermal warten. Jetzt durchstöberte er an einem Rechner vor dem großen Panoramafenster mit Blick auf den Palastgarten eine Datei mit den Seiten des Trierischen Volksfreunds. Sobald die Seiten mit den Traueranzeigen auftauchten, vergrößerte er jedes Mal die Ansicht, um die Namen durchzugehen. So arbeitete er sich Tag für Tag und Woche für Woche vom aktuellen Datum zurück in die vergangenen Monate, ohne zu finden, wonach er suchte. Die Schwestern im Konvent schienen steinalt zu werden. Außerdem waren es nicht so viele wie in dem Altenheim in Koblenz. Hatte es nicht mal eine Regel gegeben, dass nicht mehr als 21 Schwestern in einem Konvent leben durften? Er wusste nicht, wie wenige es heute noch waren.
Da hatte er in Koblenz bessere Karten. Dort, in dem Gülser Altenheim, war er schnell fündig geworden, was eine Todesanzeige anging. Es war so einfach gewesen, als er, den Ahnungslosen spielend, vorgab, einen Bewohner zu suchen, der kurz vorher verstorben war. Er hatte sich als Patenkind ausgegeben und durfte sogar noch mal das Zimmer sehen. Man hatte ihn mit seinem vorgetäuschten Schmerz allein gelassen und er konnte ganz in Ruhe hinüber zu Pawelkas Zimmer gehen.
Nach einer Stunde wurde ihm leicht schwindlig. Das konzentrierte Arbeiten am Monitor war er nicht gewohnt. Ihm wurde übel. Er schloss für eine Weile die Augen, versuchte ruhig durchzuatmen, öffnete sie wieder und fixierte einen Punkt hinter der Glasscheibe. Es war eine Bank im Park. Da könnte er nachher seine belegten Brote essen.
Eine Stunde später gab Huck auf. In immer kürzeren Abständen war ihm schwindlig geworden und eine brauchbare Todesanzeige hatte er nicht entdeckt. Ein Gutes hatte es damit wenigstens auf sich: Schwester Edelberga war noch am Leben. Das Drachenblut in ihren Adern schien sie zu konservieren. Er musste einen anderen Weg finden, an sie heranzukommen.
Diesmal war die Gasse am Saarburger Markt von einem Transporter versperrt. Gabi
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