Culpa Mosel
seinem Schreibtisch nach dem Zettel, den ihm der Koblenzer Kollege gegeben hatte. Soweit er sich erinnerte, handelte es sich um eine von Hand geschriebene Handynummer. Er fand den Zettel schließlich auf dem Beistelltisch neben dem Drucker.
Eine Männerstimme meldete sich mit einem lang gezogenen »Ja?«
»Herr Decker?«, fragte Walde.
»Burkhard Decker«, bestätigte der Koblenzer über ein lautes Rauschen hinweg.
»Waldemar Bock hier, ich habe gestern vergessen, Sie etwas zu fragen. Störe ich im Moment?«
»Nee, ich fahre nur 180 Sachen.«
Walde überlegte, ob das ironisch gemeint war. »Dann melde ich mich nachher noch mal.«
»Ich weiß nicht, ob ich dann noch Empfang habe, ich bin in Belgien unterwegs.«
»Können Sie vielleicht nachher anhalten und mich zurückrufen?«
»Ich habe eine Freisprechanlage.«
»Fahren Sie übers Wochenende weg?«
»War das Ihre Frage?« Decker schien zu lachen. Die Hintergrundgeräusche wurden schwächer. »Ich bin unterwegs nach Verviers. Dort soll Pawelkas Tochter zuletzt gearbeitet haben, da ist sie auch vor zwei Wochen gestorben.«
»Die auch? Welche Todesursache?«
»Herzversagen, wurde mir gesagt. Das Ganze kommt mir irgendwie seltsam vor.«
Als Walde eine Stunde später Gabi zu erreichen versuchte, zeigte sein Telefon bereits ein belgisches Netz an. Während die Autobahn kurze Zeit später an der Rennstrecke von Spa Francorchamps vorbeiführte, fragte er sich, ob Decker sich wohl an das Tempolimit hielt. Diesen meist wenig befahrenen Abschnitt der Autobahn kannte er von zahlreichen Urlaubsfahrten an die Nordseeküste. Mit der Sonne im Rücken ging es durch die Ardennen.
Verviers hatte er bisher nur auf der hoch gelegenen Autobahn, die mitten durch die Stadt führte, durchfahren. Nun fuhr er in die Stadt hinunter, die von oben wirkte, als habe sie sich klein gemacht, um in dem engen Tal Platz zu finden.
Der Treffpunkt vor dem Hauptbahnhof war ein Vorschlag von Decker gewesen. Auf den Straßen der Stadt war längst nicht soviel los, wie es am späten Vormittag in Trier der Fall war. Der Bahnhof war leicht zu finden, wahrscheinlich besser als das Polizeipräsidium, zu dem es keine Hinweisschilder gab, jedenfalls hatte Walde keine gesehen. Noch während er sich nach einer Parkmöglichkeit umsah, entdeckte er den Koblenzer Kollegen, der neben einem ihn um Haupteslänge überragenden Polizisten in Uniform an einem Brunnen lehnte und sich von der Frühlingssonne bescheinen ließ. Walde stoppte seinen Wagen in zweiter Reihe neben den Taxis.
»Wir können sofort weiterfahren«, rief ihm Decker durch die heruntergelassene Seitenscheibe zu, als Walde neben ihnen anhielt. Er öffnete die Tür und stieg im Fond ein. Nebenan hupte ein Taxifahrer. Der Uniformierte wartete, bis Walde ihm die Beifahrertür öffnete, nahm die Mütze ab und stieg ebenfalls ein. Er strich sich über die Haare, als er Platz nahm und Walde kurz zunickte. Von Nahem sah Walde, dass der Mann die sechzig bereits überschritten haben musste. Seine Kopfbedeckung hielt er zwischen beiden Händen auf dem Schoß.
»Wir fahren direkt zur Wohnung von Elke Minar«, sagte Decker. »Es ist nicht weit. Sergeant Renard wird uns den Weg zeigen.«
Walde reichte dem Mann die Hand. Nachdem sie losgefahren waren, überholte sie ein Taxi, dessen Fahrer mit grimmigem Blick geradeaus starrte. Walde war sich sicher, dass ihn nur die Anwesenheit des Polizisten von einer unflätigen Handbewegung abhielt. Noch während sich Walde die Richtungen à gauche, à droit und tout droit in Erinnerung rief, räusperte sich sein Beifahrer.
»Die nächste Möglichkeit rechts«, lautete die akzentlose Anweisung wie zu Fahrschulzeiten.
»Sie sprechen Deutsch«, sagte Walde überrascht.
»Ich stamme aus Eupen.«
Im Wagen breitete sich mehr und mehr der Geruch von Zigarettenrauch aus. Walde ließ seine Scheibe ein Stück herunter, bevor er wenig später in eine steil ansteigende Seitenstraße abbog. Die monotonen Backsteinfassaden unterschieden sich hier kaum voneinander. Als der Polizist ihm mitteilte, dass sie angekommen seien, ließ Walde einen entgegenkommenden Wagen vorbei und setzte rückwärts in eine Lücke.
»Hier hat Elke Minar-Pawelka gewohnt«, sagte Decker. »Sie hat sich zuletzt nur noch Minar genannt, deshalb war es so schwierig, sie ausfindig zu machen. Kollege Renard hat die Ermittlungen geführt. Er war so nett, den Schlüssel zu besorgen. Das hier ist natürlich keine Ermittlung.« Mit Blick auf den Belgier
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