Culpa Mosel
verlassen! Ich will Tiere fotografieren.«
»Das kannst du auch an der Mosel machen.«
»Aber da gibt es keine Schweine.«
»Aber Enten und Schwäne.«
»Nee, ich will Schweine füttern!«
»Morgen ist Sonntag.« Kaum hatte er es ausgesprochen, überlegte Walde, ob er dann auch wirklich frei haben sollte. »Gut, wenn wir gleich nach dem Frühstück fahren. Aber höchstens eine Stunde.«
»Super.« Annika nahm sich ein weiteres Brötchen aus dem Korb.
»Iss erstmal auf!«, mahnte Doris.
»Aber das ist doch für die Schweine! Da mache ich ganz viel Marmelade drauf.«
Am frühen Samstagmorgen gehörten sie zu den ersten Besuchern des Wildgeheges am Waldstadion. Sie stapften durch das taunasse Gras an den Gehegen vorbei, wo die Ziegen sie nach Futter bettelnd am Zaun entlang begleiteten. Annika, die nur widerwillig eingesehen hatte, dass im Wildgehege nur das Futter aus den Automaten verfüttert werden durfte, ignorierte die drängelnden Ziegen und nahm Kurs auf das Wildschweingehege. Die ersten der sonst oft träge herumliegenden Tiere erhoben sich, als Waldes Tochter mit dem Inhalt der Futterschachtel raschelte. Kaum hatte sie ein paar großzügige Rationen durch den Zaun geworfen, zog sie eine kleine Kamera aus der Tasche und ging in die Hocke. Beim Fokussieren näherte sie sich dem Maschendraht immer mehr.
»Hey, du willst doch nicht, dass die Viecher nach deiner Kamera schnappen?« Walde zog seine Tochter an der Kapuze ihres Anoraks zurück, als sie die Kamera durch den Wildgatterzaun steckte. »Oder nach deinen Fingern.«
Sein Handy klingelte. Als er ranging, meldete sich erst niemand.
»Geht’s noch?«, erklang Gabis Stimme, »du bist wirklich im Wald?«
»Woher … wie kommst du darauf?«
»Zum einen habe ich mit deiner Frau gesprochen, zum anderen … das sind doch Wildschweine, die ich da grunzen höre.«
Walde verkniff sich die Bemerkung, dass er nicht verheiratet sei. »Ich bin nur kurz … also …«
»Ich bin heute zum Dienst gekommen«, sagte sie, »obwohl ich Grund genug hätte, zu Hause zu bleiben.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Aber wir haben was zu tun!«
Annika schob wieder die Kamera durch den Draht und rief: »Waldemar, Waldemar, komm, friss.«
»Nicht so nah!«, rief Walde. »Wir fahren gleich zurück.« Er nahm das Mobiltelefon wieder hoch. »Ich bin ja gleich da. Bis dahin mache ich mir schon mal Gedanken.«
»Wenn dabei herauskommt, was uns Knauers Exfrau zu erzählen hat, ist es ja gut.« Sie seufzte und legte auf.
Gabi stellte den Becher mit dem Löffel darin neben die Tastatur und drehte ihren Stuhl zur Tür, als Walde hereinkam. »Bevor ich es vergesse, schönen Gruß von Grabbe, er hat eine SMS vom Piccadilly Circus geschickt.« Sie wandte sich wieder dem Monitor zu. »Ich nehme es zurück.«
»Wie bitte?« Walde blieb unschlüssig stehen.
»Von vorhin«, sie nahm den Becher und schob sich einen Löffel Joghurt in den Mund.
»Was?«
Der Löffel stieß an ihre Zähne. »Ich werde sicher auch anders denken, wenn das Kind auf der Welt ist. Dann verschieben sich die Prioritäten.«
»Und das ist auch gut so.«
»Warst du gestern noch zu Josy?«
»Wer … ach so, Josy Grün.« Walde würde sich nicht wundern, wenn seine alles andere als zurückhaltende Kollegin bereits mit dem Luxemburger Kollegen per Du wäre.
»Und?«
»Das Brandmal an Knauers rechtem Unterschenkel weist große Ähnlichkeit zu dem auf, das bei Hertha Becker gefunden wurde.«
»Ist es denn auch nicht alt, ich meine schon lange da?«
»Das habe ich nicht gefragt. Mist.« Walde fiel ein, dass er es ebenfalls versäumt hatte, den Koblenzer Kollegen Decker nach der Schrift und einem Brandmal an dem toten Pawelka zu fragen.
»Darum kümmere ich mich sofort«, Gabi lächelte. »Vielleicht komme ich dann wieder in den Genuss einer Tour mit dem Spider.«
»Spider?«
»Josy’s rotem Flitzer.« Sie leckte einen Tropfen Joghurt von ihrer Oberlippe. »Ein tolles Armaturenbrett, wunderbares Interieur, die Italiener haben designmäßig schon was drauf. Ich schicke ihm mal eine Mail. Aber wie ich Josy einschätze, ist ihm selbst eingefallen, das Alter des Brandmals zu prüfen.«
Walde ging zur Tür. »Gut, dann werde ich mich um Decker kümmern.«
»Und wer spricht mit Knauers erster Ehefrau?«, rief sie ihm nach.
»Wohnt die nicht in Konz, das liegt doch auf deinem Weg nach Grevenmacher.«
Nachdem Decker im Koblenzer Präsidium telefonisch nicht zu erreichen war, suchte Walde in
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