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Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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über das blanke Aluminium des Rammschutzes vor dem Kühlergrill. Er setzte den großen Hut auf, straffte seine Brust, fuhr sich mit der Hand über den flachen Bauch und nahm mit leicht federnden Schritten den Weg über die Abfahrt nach unten zum Ausgang.
    Die Leute an der Bushaltestelle blickten ihn neugierig an, als er an ihnen vorbeischritt. Er taxierte sie kurz. Niemand war dabei, den er eines zweiten Blickes würdigen musste. Ein Stück weiter passierte er die Fassade eines großen Kinos. In den Glasscheiben spiegelte er sich: die schwarze Cordhose über den schweren Arbeitsschuhen, die schwarze Weste mit zwei Reihen Goldknöpfen und darunter das bis zu den Ellenbogen hochgekrempelte Hemd, das an den Oberarmen von seinem ansehnlichen Bizeps gedehnt wurde.
    Sein Blick streifte die belanglosen Filmplakate. Wie gerne würde er mal wieder einen Monumentalschinken wie KAMPF UM ROM auf der Großbildleinwand sehen.
    Sein Ziel lag in einer Seitenstraße. Von weitem sah er die trutzige rote Mauer mit den oben spitz zulaufenden steilen Flanken und den Metallpfosten mit den nach innen weisenden drei Reihen Stacheldraht darüber. In einer Höhe, wie er schätzte, von knapp drei Metern, waren regelmäßige Bögen ins Mauerwerk eingearbeitet. Hinter der Deckung der auf der anderen Straßenseite geparkten Fahrzeuge zählte er seine Schritte. Es waren genau 84, bis er zu der kleinen, mit Eisen verstärkten Holztür in der Mauer gelangte. Es gab keine Klingel, keine Glocke, keinen Türöffner. Sie schien nicht genutzt zu werden. Nach weiteren 60 Schritten endete die Mauer und damit die Westflanke des Objektes an einem modernen vierstöckigen Haus, quadratisch und ohne jeden Schnörkel.
    Mehr als 100 Schritte lang verschwand das Gelände hinter Häusern und tauchte erst wieder an den Bushaltestellen an der Durchgangsstraße auf. Hier waren die roten Sandsteine im Gegensatz zu der kunstvoll gearbeiteten Westmauer nur grob behauen und scheinbar wahllos und notdürftig vermauert. Hinter der nächsten Ecke lag eine ruhige Straße parallel zur Nordallee. Auf der Ostseite folgte ein schweres zweiflügeliges Holztor, gekrönt von einer Reihe messerscharf wirkender Metallzacken. Neben der Klingel in der Mauernische lauerte ein Videoauge. So leicht wie im Koblenzer Altenheim würde es hier nicht werden. Knapp zweihundert Schritte weiter endete die Mauer an einem roten Haus. Zwölf Schritte davor entdeckte er ein weiteres kleines Tor, wie er es vorhin an der Westseite gesehen hatte. Dieses hier schien längst nicht so widerstandsfähig zu sein. Als er mit der Hand dagegendrückte, gab es soweit nach, dass er durch einen Spalt den Riegel sehen konnte, der es von innen hielt.
    Der Mann, der aus dem roten Haus kam, war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Er kam ein paar Schritte auf ihn zu und überquerte dann, kurz bevor sie sich begegneten, die Straße. Dabei beobachtete er ihn. Das war Huck in dieser Kluft gewohnt. Nur schaute ihm der hoch aufgeschossene Mann ins Gesicht. Als er sich Sekunden später umdrehte, war der Mann zwischen den Alleebäumen verschwunden.
     
    Ein mit grünem Weinlaub umkränztet Schriftzug, Weinexpress’ prangte auf dem Lieferwagen, der auf dem Bürgersteig vor dem Eingang des Präsidiums stand. Meyer lehnte in entspannter Haltung an einer der offenen Hecktüren und sah zu, wie ein Mann in grauem Kittel zusammen mit Grabbe Kartons von der Ladefläche des Wagens auf einen Rollwagen stapelte. Zwei bereits beladene standen daneben wie die Waggons einer Kleinbahn.
    Gabi stoppte den Wagen auf gleicher Höhe, ließ ihre Scheibe herunter und rief: »Ist das Bestechungswein oder was wollt ihr mit dem Kram?«
    »Schön wär’s«, antwortete Meyer. »Das sind die Akten, die ihr im Kinderheim angefordert habt.«
    Meyer war der dienstälteste Kommissar bei der Kripo und kümmerte sich seit Jahrzehnten vornehmlich um Eigentumsdelikte. Niemand im Präsidium wusste so recht, ob er nicht schon vor Jahren versäumt hatte, in Pension zu gehen. Den alten Haudegen brachte so schnell nichts aus der Ruhe.
    »Schöne Scheiße, ich hab’s ja gewusst«, Gabi fuhr weiter und bog um die Ecke in den Hof ein.
     
    Während Grabbe Fotos und Zeitungsausschnitte an die Magnettafel neben seinem Schreibtisch heftete, öffnete Meyer einen der Kartons, den er von dem türhohen Stapel heruntergewuchtet hatte.
    Gabi schüttelte den Kopf. »Hab ich’s mir doch gedacht. Die müllen uns mit ihrem Problemkram der letzten Jahrzehnte zu und wir wissen

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