Culpa Mosel
Hauses – die Bezeichnung Heim tauchte in ihrer, von einem unüberhörbaren saarländischen Dialekt eingefärbten Sprache nicht auf – zwar bereits seit zwanzig Jahren hier arbeitete, Rudolf Knauer 1987 aber schon zu einer anderen Einrichtung des Trägers gewechselt hatte. Sie kannte ihn lediglich von Begegnungen auf Tagungen und Weiterbildungen. Als eine, die ihnen sicher weiterhelfen konnte, nannte sie Schwester Edelberga, ihre Vorgängerin, die jahrzehntelang die Geschicke des Hauses in Händen gehalten hatte und nun ihren Lebensabend in einem Altenheim für Ordensschwestern auf dem Petrisberg verbrachte.
»Warum kamen die Kinder damals hierher?«, fragte Walde.
»Da hat sich über die Jahrzehnte wenig geändert. Meistens werden uns die Kinder vom Jugendamt zugewiesen, manchmal auch von der Polizei, das kann schon mal im Rahmen einer Krisenintervention mitten in der Nacht vorkommen. Wir arbeiten hier im Schichtdienst.«
»Falls Sie es noch nicht wissen sollten …«
»Ich weiß.« Sie nickte.
»Wir benötigen sämtliche Akten aus den Jahren 1978 bis 1987, in denen Rudolf Knauer hier gearbeitet hat.«
»Die müssten drüben im Klosterarchiv sein, ein Teil lagert vielleicht auch im Jugendamt. Ich veranlasse, dass sie zu Ihnen gebracht werden.«
»Das sind garantiert hunderte von Akten«, wetterte Gabi, während sie die Serpentinen zum Petrisberg hochfuhren. »Konntest du es nicht bei den Fällen bewenden lassen, die Knauer persönlich bearbeitet hat?«
Walde schaute hinunter auf die Stadt, auf die Türme von Dom und Liebfrauen. »Die gute Frau müsste selbst aussortieren. Das nimmt zum einen Zeit in Anspruch und zum anderen besteht die Gefahr, dass am Ende der ein oder andere Fall fehlen könnte.«
»Und wer ackert den ganzen Kram durch?«
»Das werden wir sehen.«
»Ich frage mich, was das überhaupt bringen soll?«, nörgelte sie weiter.
»Pawelka und Becker haben im selben Haus gewohnt, und Knauer hatte irgendwas mit ihnen zu tun. Das könnten berufliche Gründe gewesen sein.«
Der kleine Besucherparkplatz am Kloster war leer.
»Bis gleich!« Nach dem Aussteigen schulterte Gabi ihre Tasche und stakste in Richtung des Eingangs.
»Hallo! Willst du nicht absperren?« Walde eilte mit schnellen Schritten hinter ihr her.
»Ich dachte, du wartest da. Das ist schließlich ein Nonnenkloster.« Sie wies auf die hohen Mauern, hinter denen dicht gepflanzte Tannen aufragten.
»Mit dem da gehst du aber schlecht als Nonne durch.« Walde wies auf ihren Bauch.
»Ich wäre sicher nicht die Erste.« Durch den Torbogen kam ihnen eine junge dunkelhäutige Nonne entgegen. Sie trug blaue Gummihandschuhe und eine verwaschene graue Schürze über der Ordenstracht. Gabi blieb stehen. »Grüßgott, können Sie uns sagen, wo wir Schwester Edelbertha …«
»Edelberga«, verbesserte Walde.
»Wissen Sie, wo wir Schwester Edelberga finden können?«
»Sie ist unten im Konvent.« Die Ordensfrau deutete mit der Heckenschere in ihrer Hand hinunter auf die Stadt. »Bei den Katharinen.«
»Und wann kommt sie wieder zurück?«
»Weiß ich nicht. Sie war nur wenige Wochen hier und ist wieder dorthin gezogen.«
»Schade.« Gabi klang aufrichtig enttäuscht, als sie wieder hinunter in die Stadt fuhren. »Ich war noch nie in einem Kloster. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen.«
»Was macht denn ein Kloster für dich so interessant?«
»Ich hab’ mal gehört, dass die, also ganz speziell die Nonnen, bei denen wir gerade waren, schon zu Lebzeiten in ihren Särgen schlafen, in denen sie nachher begraben werden.«
»Das sind hoffentlich nur Gerüchte. Das wäre ja wie in Vampirfilmen.«
»Ja, so ähnlich soll das früher auch gewesen sein. Heute soll aus dem Holz der Betten der jeweilige Sarg gezimmert werden.«
»Klingt immer noch sehr seltsam«, antwortete Walde und hörte über das Motorengeräusch Gabis Magen grummeln. »Wenn du eine Mittagspause machen möchtest, gehe ich allein zu den Katharinen.«
»Und du meinst, die lassen dich als Mann da rein?«
»Das denke ich schon, da sind sicher öfter auch mal Handwerker und wer auch immer.«
»Und woher weißt du das?«
»Wir wohnen gleich nebenan«, sagte er. »Das sind praktisch unsere Nachbarn.«
»Aha!«
Im Parkhaus war es schwer, eine geeignete Lücke zu finden. Als er den Pickup endlich rückwärts einrangiert hatte, ließ es sich beim Aussteigen nicht vermeiden, dass seine Tür an den Pkw nebenan stieß. Huck strich im Vorbeigehen mit der Hand
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