Culpa Mosel
Aber du kannst ja nicht wissen, warum man hier, was Dienstfahrten ins Ausland angeht, sehr sensibel geworden ist.« Walde beobachtete, wie Meyer und Gabi am Auto stehen blieben. »Warum bist du hergekommen?«
»Alle Spuren im Fall Josef Pawelka führen an die Mosel.« Walde machte bei Gabi halt, die sich bewusst in Windrichtung gestellt hatte, um dem Rauch von Meyers Zigarette auszuweichen.
»Soweit ich weiß, fließt die Mosel auch durch Koblenz.«
»Im Altenheim hat man vom Familienalbum des Alten erzählt. Darüber möchte ich mit seiner Tochter in Mülheim sprechen.«
Walde senkte die Stimme. »Die ist zurzeit bei mir zu Hause.«
Noch zu laut, wie er an Gabis Reaktion bemerkte. Sie ergriff seinen Arm und führte ihn ein paar Schritte zur Seite. »Was höre ich da? Die Pawelka lebt bei dir?«
»Vorübergehend.«
»Und wo ist Doris?«
Jetzt wurde Walde erst klar, worauf sie hinauswollte. »Im Frauenhaus, mit den Kindern, wo sonst?« Er schüttelte den Kopf. »Geht’s noch? Andrea … Frau Pawelka wurde heute Nacht in ihrem Haus bedroht. Ich habe dir doch erzählt, dass sie ganz einsam außerhalb des Dorfes wohnt.«
»Gibt es da keine Polizei?«
»Sie hatte meine Visitenkarte. Und die Polizei vor Ort habe ich natürlich angerufen. Als ich in Mülheim ankam, war der Kerl verschwunden.« Walde hob die Hände, als würde er auf eine Eingebung von oben hoffen. »Was hätte ich denn machen sollen, mitten in der Nacht? Sie vielleicht nebenan im Kloster unterbringen? Übrigens war der Typ aus dem Kloster wahrscheinlich heute Nacht auch in unserem Garten.«
Das hatte er bei seiner Kollegin noch nicht erlebt, dass es ihr die Sprache verschlug. Es dauerte eine Weile, bis sie tief Luft holte. »Darf ich festhalten: Du fährst undercover mit dem Dienstwagen nach Verviers, soweit das mit dem dienstlichen Nummernschild überhaupt möglich ist, bringst eine Zeugin in deiner Wohnung unter und verschweigst, dass ein Serienmörder heute Nacht deine Familie und dich in Gefahr gebracht hat?«
»Mich nicht, ich war ja bei Andrea in Mülheim.«
»Tut mir leid, da komme ich nicht mehr mit, will ich auch gar nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Warum hast du das vorhin nicht erzählt?«
»Ich denke, Stiermann muss nicht alles wissen.«
Das Tor in der Klostermauer stand offen. Ohne zu zögern lenkte Gabi den Wagen hindurch und musste auf dem schmalen Weg gleich auf die Bremse steigen, weil dort bereits zwei Fahrzeuge der Kriminaltechnik standen.
In der Eingangshalle, zu der Walde bei seinem gestrigen Besuch nicht gelangt war, hatte sich eine Gruppe von etwa einem Dutzend Leuten versammelt. Sie schienen darauf zu warten, zu einer Stadtführung oder ähnlichem abgeholt zu werden. Gabi schritt zu der von Deckenstrahlern hell erleuchteten Rezeption, wo eine Frau in grauem Kostüm und weißer Bluse telefonierte.
»Erster Stock?« Gabi zeigte ihren Dienstausweis.
Die Frau nickte und wies stumm den Weg, der zu einem Treppenhaus mit einem Aufzug führte. Dort drückte Gabi den Knopf. Ihre Begleiter waren hinter ihr stehen geblieben und warteten. Sie folgten ihr, als sie sich Richtung Treppenhaus in Bewegung setzte.
Oben gelangten sie in einen langen Flur. An dem Fenster auf der rechten Seite waren zwei Techniker zugange.
»Darf ich?« Gabi trat nahe an das offene Fenster heran und beugte sich vor. »Ist der hier hoch?«
»Und wahrscheinlich auch wieder runter«, antwortete ihr einer der beiden Männer. »Ein paar Türen weiter ist das Zimmer, auf der rechten Seite.«
Walde zählte unterwegs sechs Türen aus dunklem Holz, alle deutlich niedriger als zwei Meter und oben abgerundet. An der siebten begnügte er sich damit, vom Gang aus einen Blick in den Raum zu werfen, in den nun seine drei Begleiter zu Sattler und einem weiteren Techniker drängten. Die ehemalige Klosterzelle schien ihm kaum größer als eine Gefängniszelle.
»Kollegen, bitte wartet noch eine Minute«, versuchte Sattler die Eintretenden aufzuhalten. »Wir sind fast fertig.«
»Und wo ist der Gast, also der Mann, der hier wohnt?«
»Wohnte«, antwortete Sattlers Mitarbeiter, während er eine Folie vom Türrahmen abzog. »Er wurde ins Präsidium gebracht. Nach seiner Zeugenaussage wollte er abreisen, ich glaube, der wird keine Minute länger als unbedingt nötig in Trier bleiben.« Der Mann im weißen Overall grinste. »Der scheint den Leibhaftigen gesehen zu haben, und das im Nonnenkloster. Weil ich ihn nicht ins Zimmer lassen konnte und er so
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