Cupido #1
würde auch noch ein Verfahren gegen ihn eingeleitet werden. Und der verdammte Irre käme frei. Er musste sich ganz genau an die Geschichte halten.
Das war das Schwierigste. Sich an jedes verdammte Detail zu erinnern, genau wie die Staatsanwältin es ihm eingebläut hatte, exakt in der gleichen Reihenfolge. Das ist das Problem bei Lügenmärchen, sagte seine Mutter immer, du vergisst, was du erzählt hast. Vor allem, weil alle Leute immer von ihm hören wollten, was an dem Abend passiert war und wie er Cupido geschnappt hatte. Nicht nur vor Gericht. Jeder, überall, wollte alles wissen. Nachbarn, Schulfreunde, Fremde auf der Straße. Die Mädchen in den Kneipen, am Strand, am Pool. Er war so was wie eine Berühmtheit. Der Cop, der Cupido geschnappt hat. Und auch wenn der Sergeant ihm verklickert hatte, dass er den Mund halten sollte – es war schließlich nicht der Sergeant, dem die Mädels einen blasen wollten, wenn er ihnen die Geschichte erzählte. Wie er, Victor Chavez, obwohl noch in der Probezeit, praktisch mit links und nur durch seinen Instinkt den schlimmsten Serienkiller Amerikas gefasst hatte.
Aber jetzt war die Uhr abgelaufen, und er musste jedes Detail richtig haben. Jedes kleine Detail. Alles schwirrte in seinem Kopf wie ein verspultes Tonband.
Mit feuchten Händen saß er in seiner MBPD–Uniform auf der Bank und wartete darauf, in den Abgrund zu stürzen, als sich die Tür öffnete und der Gerichtsdiener mit lauter Stimme seinen Namen rief.
59.
Bantling in seinem knallroten Overall saß bereits neben Lourdes Rubio am Tisch der Verteidigung, als C. J. den Saal betrat. Sie spürte seinen Blick, als sie an der Richterbank vorbei zum Tisch der Anklage ging und mit Dominicks Hilfe die Akten auspackte. Obwohl sie ihn nicht ansah, wusste sie, dass er lächelte. Konzentrier dich. Konzentrier dich. Wie bei jedem anderen Fall.
Dominick setzte sich hinter sie, zwischen Manny und Jimmy Fulton in die erste Reihe. Chris Masterson und Eddie Bowman kamen zu spät und konnten gerade noch einen Sitzplatz ganz hinten neben Greg Chambers ergattern. Auf der anderen Seite des Gerichtssaals entdeckte sie die Blues Brothers: Carmedy, Stevens und den Bandleader Gracker, wie immer in schwarzen Anzügen, die schwarze Sonnenbrille in der Brusttasche verstaut. Auch wenn sie ihn nicht ausmachen konnte, war sie sicher, dass auch de la Flors da war oder zumindest seine Assistenten. Wahrscheinlich hatten sie die Anklage der Bundesstaatsanwaltschaft schon in der Tasche, für den Fall, dass C. J. verlor. Wie üblich war jede Fernsehanstalt vertreten, die Kameras waren im ganzen Saal verteilt. Und natürlich die Zeitungsreporter von jedem größeren Blatt des Landes. Volles Haus.
Lourdes hatte sie nicht angesehen, als sie hereinkam, sondern sich absichtlich in ihre Papiere vertieft. C. J. wusste nicht, was sie heute von ihr zu erwarten hatte, und das war kein angenehmes Gefühl. Jetzt öffnete sich die Tür des Richters, und Hank, der Gerichtsdiener, rief: «Die Verhandlung ist eröffnet. Der Ehrenwerte Richter Leopold Chaskel III. führt den Vorsitz. Nehmen Sie Ihre Plätze ein und Ruhe bitte. Keine Mobiltelefone, keine Pager.»
Richter Chaskel setzte sich hin und verschwendete keine Zeit mit Reden oder Ankündigungen; er schien die aufgeregte Journaille gar nicht zu bemerken. Nach zehn Jahren als Staatsanwalt und weiteren zehn Jahren auf der Richterbank hatte er alles gesehen, und seinen Namen in der Zeitung zu lesen interessierte ihn nicht mehr. Das war einfach nur eine nervtötende Begleiterscheinung seines Berufs. Er wandte sich an Lourdes und fing sofort an.
«Nun, Ms. Rubio, wir sind heute hier, um Ihren Klageabweisungsantrag wegen einer unrechtmäßigen Fahrzeugkontrolle und Durchsuchung im Fall Florida gegen William Bantling zu hören. Ich habe Ihren Antrag gelesen. Bitte, schießen Sie los. Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf.»
6o.
Da der Antrag von der Verteidigung gestellt worden war, trug die Verteidigung auch die Beweislast. Sie musste nachweisen, dass die Fahrzeugkontrolle illegal gewesen war, und nicht der Staat das Gegenteil. Und natürlich konnte der Beweis nur durch Zeugen erbracht werden, die vor Ort gewesen waren. Lourdes' erster Zeuge war der Miami Beach Police Officer Victor Chavez.
Chavez betrat den Saal durch die große Mahagonitür und nickte Richter Chaskel feierlich zu, bevor er im Zeugenstand Platz nahm. Er rückte sich die Krawatte seiner Uniform zurecht und räusperte
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